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Ein Sommernachtstraum (2016) © Hans-Jörg Michel

Mit der Uraufführung von "Ein Sommernachtstraum" startet Stephan Thoss am 19. November 2016 in seine erste Spielzeit als Intendant der Tanz-Sparte am Nationaltheater Mannheim. Die Choreographie gerät trotz Nebelmaschine, Drehbühne und nackter Haut gefällig und phasenweise langatmig.

Eine aufgeregte, neugierig angespannte Atmosphäre weht durch das Nationaltheater Mannheim: Es herrscht Aufbruchsstimmung an diesem Samstagabend, an dem Stephan Thoss mit der Uraufführung von "Ein Sommernachtstraum" seinen Einstand als Intendant und Chefchoreograf der Tanz-Sparte des Nationaltheater Mannheim gibt.

Alle Zutaten für ein Erfolgsstück

Tatsächlich hat der 51-Jährige, der an der Palucca Schule in Dresden tänzerisch ausgebildet wurde, für seine Antrittschoreographie alle Zutaten kombiniert, die es für einen Publikumsliebling braucht: Er hat ein Handlungsballett als die wohl konsensfähigste Form gewählt – noch dazu eine Komödie von William Shakespeare. Er hat alle technischen Raffinessen aufgefahren: von der Nebelmaschine über die Drehbühne bis hin zu riesigen Bühnenbildelementen, die aus dem Schnürboden herabgesenkt werden und sich in die Tiefe des Bühnenraums schichten.

Die Kompositionen von Joby Talbot, Benjamin Britten und Henry Purcell werden vom Mannheimer Orchester und dem Pianisten Kai Adomeit unter der musikalischen Leitung von Wolfgang Wengenroth in gewohnt hoher Qualität vorgetragen. Die Figur des Waldgeistes Puck wurde mit dem Countertenor Alin Deleanu besetzt. Und fertig ist das Erfolgsstück – oder?

Das Wesentliche aus dem Blick verloren

Stephan Thoss will mit seiner ersten Choreografie für Mannheim viel – und hat dabei phasenweise das Wesentliche aus dem Blick verloren: den Tanz. Dabei beginnt "Ein Sommernachtstraum" vielversprechend: Im klar gegliederten Bühnenraum von Kaspar Zwimpfer, der anfangs aus fünf Wandelementen mit barockem Muster begrenzt wird, präsentieren sich Hippolyta und Theseus, Herzog von Athen.

Ihre distanzierte Beziehung präsentieren Joris Bergmans und Zoulfia Choniiazowa anschaulich mit distanzierter Kühle und strenger Klarheit. Auch Hermia (Ayumi Sagawa) und Lysander (Vitek Korínek) wollen heiraten. Doch Demetrius (David Lukas Hemm) ist in Hermia verliebt und stößt seine frühere Liebe Helena (Chiara Dal Borgo) von sich. Lysander flieht mit Hermia in den Wald, die anderen folgen. Hier spielt der Waldgeist Puck seine Streiche mit den Liebenden und die Irrungen und Wirrungen nehmen ihren bekannten Lauf.

Nackte Haut in wilder Natur

In der wilden Natur beginnt jedoch statt des erwarteten wilden Treibens ein langatmiges und gleichförmig dargestelltes Verwirrspiel um die Liebe. Dass es sich hier um eine Komödie handelt, wird allein durch die Auftritte dreier Waldarbeiter (Tenald Zace, Lorenzo Angelini, Dávid Kristof) deutlich, die ihre Späße als albernen Slapstick zum Besten geben.

Ein Highlight des Abends ist Zoulfia Choniiazowa, die seit sagenhaften 17 Jahren als Solistin das Mannheimer Ballettensemble bereichert. Nach Philippe Talard und Kevin D’Day ist Stephan Thoss der dritte Ballettintendant, unter dem sie das Publikum mit ihrer tänzerischen Ausdruckskraft verzaubert.

Leider bietet die Inszenierung den 16 technisch versierten Tänzerinnen und Tänzern ansonsten wenig Gelegenheit, mit ihrem Können zu glänzen. So bieten z.B. Jamal Rashann Callender als Oberon und Emma Kate Tilson als Titania sehr leidenschaftliche Pas de Deux, doch als Ausdruck ihrer körperlichen Sinnlichkeit dient im späteren Verlauf vor allem ihre nackte Haut.

Mehr Wagemut, weniger Klischees

Nach Nuancen sucht man in dieser Inszenierung vergeblich: Das Holzschnittartige der Figuren wird z.B. noch durch die Kostüme von Carmen Maria Salomon betont. Der Waldgeist wird grün gewandet, die jungen Liebespaare leuchtend rot und das strenge Herrscherpaar in kühlen Graublau. Endgültig in den Kitsch gleitet es ab, wenn zwischen Nebelschaden und Liebespaaren, die sich im Laub räkeln, ein offenes Feuer im Hintergrund entflammt.

Allerdings: dem Publikum gefällt es. Vielleicht wissen die Mannheimer einfach zu schätzen, dass hier der Versuch unternommen wurde, zu gefallen. Und so wird laut geklatscht und viel Applaus gespendet. Und beim nächsten Mal wird Stephan Thoss vielleicht schon etwas mehr wagen und uns nicht nur schöne Klischees servieren.

Ein Sommernachtstraum am NTM

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