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Two Gents (Pressebilder 2015) © Nationaltheater Mannheim

Was ist das für ein Freund, der sich an die eigene Verlobte heranmacht, ja, sie sogar um ein Haar vergewaltigt? Wird man so einem Freund je verzeihen können? In der neusten Choreografie von Kevin O'Day stellt das überraschenderweise kein größeres Problem dar. Der Ballettabend "2 Gents" feierte am 30. Januar 2015 am Mannheimer Nationaltheater seine Uraufführung. Doch trotz wunderbarer Jazzmusik von Thomas Siffling überzeugt die Inszenierung als Gesamtes nicht.

Proteus (Brian McNeal) liebt Julia (Nadège Cotta) und Valentine (Malthe Clemens) ist verlobt mit Silvia (Julia Headley). Zu den beiden Freunden gesellen sich die Gefolgsmänner Launce (Dávid Kristóf) und Speed (Davidson Jaconello). Duke, der Graf von Kurpfalz (Luis Eduardo Sayago) und Julias Verehrer Thurio (Tyrel Larson) komplettieren das Ensemble. In Shakespeares üblicher Manier folgen Liebesirrungen und Wirrungen, an deren Ende die Beinahe-Vergewaltigung Silvias durch Proteus steht, die sich jedoch schnell in allgemeines Wohlgefallen auflösen lässt: Happy End also.

Und obwohl die Story – frei nach Shakespeares Komödie "The Two Gentlemen of Verona" (dt. "Zwei Herren aus Verona") – sich keineswegs allzu komplex darstellt, wollen sich die einzelnen Szenen dieses knapp zweistündigen Balletts nicht zu einer glaubhaften Handlung formieren oder gar einen dramatischen Bogen spannen.

Groovy Bass und gute Laune

Dabei macht der Auftakt des Abends Hoffnung: Eine groovige Bassline erklingt, pustet gute Laune durch den Zuschauerraum und bringt die Sessel ins Schwingen. Der Mannheimer Jazztrompeter Thomas Siffling hat die Auftragskomposition zu "2 Gents" geschrieben und spielt diese mitreißend mit seiner achtköpfigen Liveband (bestehend aus Dirk Blümlein, Heiko Duffner, Christian Ehringer, Konrad Hinsken, Stephan Kirsch, Kristof Körner, Andreas Pompe, Olaf Schönborn und Siffling selbst).

Viele der Songs klingen, als wären sie schon immer da gewesen – Jazz Standards, die man nur einfach bisher noch nicht kannte. Doch die Größe der Musik und ihre Präsenz sind in der ersten Hälfte des Ballettabends ein Problem für den Tanz: Er kann nicht mithalten mit der Dynamik und der Stringenz der Musik.

Tanz der Panzerknacker

So zögerlich sich die Handlung entfaltet, so zögerlich wirken manche Tanzbewegungen. Eine Ausnahme stellt der Auftritt einer Bande von Panzerknackern dar (Zoulfia Choniiazowa, Veronika Kornová-Cardizzaro, Hitomi Kuhara, Julie Pécard, Jura Wanga). Hier brilliert Kevin O'Day einmal mehr mit seinem komödiantischen Talent. Zwar wird nicht klar, was die Panzerknacker zum Fortgang des Stückes beitragen, aber ihr tänzerisches Ringen mit der schweren Eisenkugel am Fuß ist urkomisch.

Witz und Charme versprüht aber auch Tyrel Larson und glänzt mit Stepptanz-Einlagen. Davidson Jaconello wiederum sticht mit einer Coolness à la "Trainspotting" hervor und erntet mit seinen Auftritten auf einem alten Mofa einige Lacher; in seiner Körperspannung und Dynamik findet man Sifflings Musik am besten verkörpert.

Auf dem Land, in der Stadt

Eine wahre Freude ist das wunderschöne Bühnenbild von Thomas Mika, der Bäume im Scherenschnitt andeutet und Hochhäuser als weiße eckige Pfeiler, die durch das Lichtdesign von Mark Stanley zum Leben erweckt werden.

Auch wenn im zweiten Akt nach der Pause Musik und Tanz besser zusammengehen, zu retten ist dieses Handlungsballett nicht. Man glaubt die hier vorgeführte Feindschaft ebenso wenig wie die dargestellte Liebe – weder zwischen Proteus und Julia noch zwischen Valentine und Silvia. Daran kann auch kein weiteres schmachtendes Duett etwas ändern. Zu brav wirken die Bewegungen, es fehlt an Frische.

Mag sein, dass diese weniger bekannte Komödie von Shakespeare keine glückliche Wahl war, um als Grundlage für ein Handlungsballett zu dienen, mit dem Kevin O'Day nach "Romeo und Julia" (2011) und "Othello" (2013) nun seine Shakespeare-Trilogie abgeschlossen hat. "Zwei Herren aus Verona" war Shakespeares erste Komödie – und nicht gerade seine beste.

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