Mikroboy
Foto: Frank Eidel (2009)

Mikroboy Foto: Frank Eidel (2009)

Während sich am vergangenen Samstag Millionen Menschen vom heimischen Sofa aus den Eurovision Song Contest im Fernsehen ansahen, und einige dabei unter Schmerzen das erwatungsgemäß schlechte Abschneiden des deutschen Möchtegern-Hits erlebten, feierten gewieftere Musikliebhaber im ausverkauften Magnet Club in Berlin mit einer wirklich aufstrebenden deutschen Band. Im Rahmen des "Motor Club" sorgten Mikroboy und zwei weitere handverlesene Bands für eine vielfältige, bunte und lange Indie-Party.

{image}Gleich die erste Band, die in Berlin die Bühne betritt, sind die aus Mannheim und Berlin stammenden Mikroboy. Das ist eine gute Wahl, wie sich wenig später zeigen wird. So präsentiert die Gruppe in den folgenden dreißig Minuten feinen, intelligenten, deutschen Indiepop, der mit Textzeilen wie "aufstehen und weitergehen" oder "das kriegen wir wieder hin" Mut macht, nicht aufzugeben, wenn man tief in Problemen steckt. Es war der Hoffnung machende Auftakt zu einem langen, bunten und vielfältigen Musikabend. Sänger Michi Ludes war nach eigener Aussage insbesondere froh darüber, der "Provinz entkommen und nun in der Hauptstadt angekommen" zu sein. Sofern das auf den Popakademie-Standort Mannheim gemünzt war, wo Mikroboy mehr als ein Bein in der Tür haben, darf sich jeder Leser die Zeit und Muse zur freien Interpretation nehmen. Mikroboy hatten sich die letzten Monate jedenfalls mit Swen Meyer (Tomte/Kettcar) ins Studio zurückgezogen, um an Songs zu feilen und ihr Debütalbum Nennt es, wie ihr wollt aufzunehmen. Wir sind aber froh, dass sie endlich wieder aus den 4 Studiowänden herausgefunden haben und ihre starken Gigs in den kommenden Monaten sowohl weiterhin in der Provinz, als auch auf großen Festivals performen werden.

Wenig später kommt dann auch schon das französisch-finnische Duo The Do um den Komponisten Dan Levy, die Sängerin Olivia Merilahiti sowie den Live-Schlagzeuger José Joyette auf die Bühne. Sie spielen ein leidenschaftliches Konzert und präsentieren den Zuschauern einen Sound, der sich nicht konkret auf einen Musikstil festlegen lässt. So hört man hier nicht nur Indierock, sondern auch Einflüsse aus Funk und HipHop spielen in der Musik von The Do eine große Rolle. Außerdem prägt vor allem die berührende und teilweise traurige, hohe Stimme der Sängerin den Sound der Gruppe. Als Zuschauer würde man sie am liebsten umarmen und trösten, wenn sie – an manchen Stellen – zur verzweifelt klingenden Stimme auch noch den dazu passenden Gesichtsausdruck annimmt.

{image}Eine ganze andere Ausstrahlung besitzt wiederum der für das Flötenspiel und für alle Tasteninstrumente zuständige Dan Levy. Er kann sich vor guter Laune teilweise nicht mehr retten und tanzt entweder mit offenem Mund und geschlossenen Augen über die Bühne, oder dreht beim Klavierspiel verspielt Pirouetten. Nur an zwei Dingen stören sich beide Musiker: Einmal an der Hitze im Club (Kommentar von Olivia Merilahiti: "Die Ventilatoren scheinen hier wohl nur zur Dekoration da zu sein?!". Dazu ein Kommentar des Autors: Warum tragen dann beide Pelzmützen?) und andererseits an den in unregelmäßigen Abständen auftretenden technischen Schwierigkeiten. Die führen dazu, dass sich Dan Levy bei manchen Songs immer wieder zu seinem Roadie umdreht und mit aufgebrachten Gesten, für alle gut sichtbar, seinen Ärger darüber kundtut. Jedoch überwiegen dann am Ende für beide Musiker wohl doch die positiven Dinge des Konzerts. Zumindest verneigt sich die Sängerin, im Laufe des Konzerts, immer wieder vor dem Publikum. Und Dan Levy, der sich zuvor noch über die Technik-Probleme geärgert hatte, bedankt sich schließlich auch beim Publikum und besteht darauf, zu betonen, wie viel Freude ihm das Konzert dann doch gemacht hatte.

{image}Nach einer weiteren, diesmal längeren Umbaupause, betritt dann um ein Uhr nachts schließlich noch die norwegische Pop-Formation Datarock die Bühne. Und was diese dann in dem folgenden einstündigen Set zelebriert, kann man wohl nur mit einem Satz beschreiben: "Now, It’s partytime!" Datarock stürmen mit roten Trainingsanzügen, riesigen Sonnenbrillen und einer Flasche Rotwein auf die Bühne, als hätten sie nur eines im Sinn: Ausgelassen zu feiern! Und zwar mit ausgiebiger Unterstützung des im Club versammelten und von dieser Bühnenpräsenz euphorisierten und begeisterten Publikums. So hüpft, klatscht, springt und singt jeder mit, wann immer es die Band verlangt. Und die besitzt scheinbar viel Ausdauer. Die Mitglieder hüpfen nicht nur minutenlang, einzeln und der Reihe nach, durch das Publikum, sondern erfreuen die Menschen auch mit so mancher Aerobic- sowie Liegestütz-Einlage und verausgaben sich am Spiel mit dem Saxophon. Und so ist es dann auch kein Wunder, dass am Ende schließlich alle Bandmitglieder mit freiem, schweißüberströmten Oberkörper auf der Bühne stehen und eins mit Sicherheit sagen können: Hier eine unglaublich energetische, feucht-fröhliche und ansteckende Show abgeliefert und eine ausgelassene Party gefeiert zu haben... die für die Zuschauer und die Bands im Übrigen noch bis in die frühen Morgenstunden weiterging.

Und zwar mit einigen DJ-Sets, Tanz und viel Alkohol im gegenüberliegenden Partyraum des Magnet Clubs. Wie gesagt: Der "Motor Club" war an diesem Abend auf jeden Fall eine wunderbare Alternative zum eher enttäuschenden Eurovision-Fernsehabend!

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