Gustav

Gustav © hoermanseder

Etwa hundert Zuschauer hatten sich am vergangenen Donnerstagabend im Ludwigshafener Kulturzentrum dasHaus versammelt, um den Auftritt von Gustav und Band mitzuerleben. Aus "persönlichen Gründen", die nicht näher erläutert wurden, war der Künstlerin jedoch die Band abhanden gekommen. So stand Gustav allein auf der Bühne und präsentierte ein unerwartetes Solokonzert – ohne Klavier und Gitarre, aber mit Laptop und allen nötigen Samples.

{image}Hinter dem Pseudonym Gustav steckt die österreichische Musikerin Eva Jantschitsch. Die Künstlerin schätzt den verwirrenden Effekt des Künstlernamens, der sich dadurch erklärt, dass der Sohn, den ihr Vater sich wünschte, Gustav hätte heißen sollen. Mit dem neuartigen, frischen Popentwurf ihres Debütalbums Rettet die Wale von 2004 hatte sie bereits Aufsehen erregt und wurde für ihre elektronischen Lieder als "Retterin des Protestsongs" gefeiert – eine Zuschreibung, die sie jedoch ablehnt. Jantschitsch sieht sich nicht als Protestsängerin, obwohl sie sich mit ihren politischen Songs als Meisterin der Anspielung erweist. Ihre klugen Texte, mal deutsch, mal englisch abgefasst und mit betörender Stimme vorgetragen, glänzen durch Vielschichtigkeit, Ironie und hintersinnigen Witz; ihre Musik, die keinerlei Stilgrenzen kennt, überzeugt mit Melodien- und Ideenreichtum und gut eingesetzten Samples. Bei aller Leichtigkeit, die ihre Aufnahmen oft ausstrahlen, sind sie doch niemals lediglich gefällig. Mit ihrem zweiten Album Verlass die Stadt, das im letzten Jahr erschien, hat sich Gustav endgültig als Stern am Himmel der deutschen und österreichischen Indie-Szene etabliert. Mag ihr Set an diesem Abend in Ludwigshafen unter den gegebenen Umständen auch etwas kurz ausgefallen sein (sie spielte zwölf Songs in knapp 70 Minuten, einschließlich der Zugaben), so gelang es ihr dank ihrer Qualitäten dennoch, die Zuschauer mit einem gelungenen Auftritt zu begeistern.

Die Songs ihres aktuellen Albums dominierten ihren Auftritt in Ludwigshafen. Den Auftakt machte Happy Birthday, das hier nicht mit einer Litanei von 100 Namen endete, sondern schnell in ein flottes Electronica-Stück überführt wurde. Darin kündigte sich bereits an, was die Zuhörer erwarten würde: In ihrem Soloset wurden die elektronischen Beats hervorgehoben und die Tanzbarkeit so mancher Stücke betont.

{image}Das Ergebnis war ein im Vergleich zum Studioalbum härterer, eindringlicherer Klang. Bei einem Song wie Neulich im Kanal, sehr gelungen dargeboten, hätte man dies auch erwartet; bei I Fall war es hingegen eine erfreuliche Überraschung. Die Balance zwischen den härteren elektronischen Beats und dem melodischeren Pop, der Verlass die Stadt dominiert, gelingt ausgezeichnet. Lediglich das Titelstück, dessen Bedrohlichkeit gerade in der Reduktion zur Geltung kommt, hätte auf den Einsatz eines Megaphons beim Refrain gut verzichten können.

Vom Debütalbum kamen lediglich drei Songs zum Einsatz: One-Hand Mona, der unheimliche Song über eine Frau, die einen Arm verloren hat und sich mit Briefbomben rächt (ein sehr gut aufgebauter Track, dessen Intensität sich immer mehr steigert); We Shall Overcome in einer Version mit neuem Backing-Track; und natürlich Rettet die Wale, ihr kleiner Hit, der als Zugabe den Abend beschloss. Neben ihren eigenen Songs präsentierte sie auch Sleep Now In The Fire von Rage Against The Machine – in einer melodiebetonten Version, die gar nicht mehr an den Crossover-Sound dieser Band erinnerte.

{image}Insgesamt zeigte sich Eva Jantschitsch bei diesem Auftritt als souveräne Performerin, die auf der Bühne zu Hause ist. Bereits mit ihrer Begrüßung, bei der sie kurz nach dem Namen des Auftrittsortes suchte, um dann mit einem strahlenden Lächeln auf "Ludwigshafen!" zu kommen, hat sie das Publikum für sich eingenommen. Sie war zu Scherzen aufgelegt, und obwohl sie schwer damit beschäftigt war, Sounds und Samples aus ihren Gerätschaften abzurufen, mangelte es ihr doch nicht an Präsenz und Ausstrahlung.

Den stärksten Eindruck hat sie hinterlassen, als sie sich zur ersten Zugabe am Bühnenrand aufbaute, um ihren schneidenden satirischen "Abgesang" vorzutragen: eine intensive, mitreißende Performance, die sie vor der Bühne inmitten des Publikums zu Ende brachte – der Höhepunkt eines erfreulichen Abends mit einer bewundernswerten und charmanten Künstlerin.

Setlist: Happy Birthday – Total Quality Woman – One-Hand Mona – I Fall – Verlass die Stadt – High Holt (?) – We Shall Overcome – Neulich im Kanal – Sleep Now In The Fire – Soldat_in oder Veteran
Zugabe: Abgesang – Rettet die Wale

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