Coldplay live
Foto: Thommy Mardo

Coldplay live Foto: Thommy Mardo

Auf der Welle des Erfolges ihres vierten Erfolgsalbums in Folge, das den mundigen Namen "Viva la vida or Death and all his friends" trägt, eröffneten Coldplay ihre Deutschlandtournee in der ausverkauften SAP-Arena zu Mannheim und begeisterten ihr Publikum trotz offensichtlicher Probleme durch ihre professionelle Routine, die Show und nicht zuletzt die Songs.

{image}Coldplay leiden unter ewigen Vergleichen mit U2. Was jedoch durchaus nachvollziehbar ist, weil sie sich bereits auf der Tour zu ihrem zweiten Album A rush of blood to the head all der Elemente bedienten, die U2 seit Jahrzehnten als die Zutaten für eine die Massen bewegende und trotzdem dem Einzelnen das Gefühl, speziell angesprochen und Zeuge eines wichtigen Events zu werden, gebende Show zurechtgelegt haben. Aber anders als U2, die dies über die Dauer eines Jahrzehntes und 5 Alben aufbauten, machten Coldplay gleich ihr War als Debüt und schoben sofort ihr The Joshua Tree nach, um danach aber erstmal ihr Zooropa zu machen. Und nun Viva la vida – ihr Pop? Was aber Coldplay von Bands wie U2 oder auch R.E.M., die in der gleichen Liga spielen, unterscheidet ist, dass die anderen Bands auch 4 Typen waren, die man aber alle irgendwie kannte. Wie einst bei den Beatles, hat auch Adam Clayton seine Fans (meist weiblich!) und Mike Mills natürlich auch (der andere Nerd, der es neben Bill Gates zu etwas gebracht hat!). Und bei Coldplay? Alle kennen und lieben (oder hassen) Chris Martin. Aber obwohl die anderen Bandmitglieder so perfekte Rockstarnamen haben wie Guy Berryman, Jonny Buckland und vor allem Will Champion kennen lediglich die-hard-Fans diese Namen, geschweige denn, dass sie wüssten, welches Instrument welcher von ihnen spielt. Und all das macht es schwer Coldplay so richtig zu lieben: sie wurden einfach zu schnell groß und sie werden in der Öffentlichkeit viel zu wenig als Band wahrgenommen. Das neue Album Viva la vida, von Brian Eno mitproduziert (schon wieder eine U2-Parallele!), klingt für sich genommen über weite Strecken sehr spannend, was ihnen jedoch live eher zum Verhängnis wird, weil sie diese Arrangements und Sounds nicht umsetzen können – hier wird beispielsweise der Unterschied zu denen von Martin verehrten Radiohead deutlich.

Das Konzert wird eröffnet von Strokes-Gitarrist Albert Hammond Jr., der einen poppigen NYC-Indie-Crossover auf die Bühne bringt, zwar keinen einzigen hymnenhaften Chorus für die auf solche wartende Arena liefert, mit seiner guten Band und einem knackigen Sound jedoch angenehm unterhält.

{image}Das Intro des aktuellen Albums, Life In Technicolor, bildet den Auftakt der Coldplay-Show und die Band steht eng um das Schlagzeugpodest, ganz als ob sie die Größe der Arena zu einem Club schrumpfen will. Das Coverbild des Albums von Delacroix bildet im XXXL-Format den Hintergrund der Bühne und eine verkürzte Version von Violet Hill beschließt den Auftakt der Show. Chris Martins Stimme klingt bei den ersten Songs merkwürdig wie durch einen Vocoder verzerrt. Die Stimme hat nicht die Durchsetzungskraft, die man von den Studioaufnahmen gewohnt ist, was bei einer Band wie Coldplay, die mit ihrem Leadsänger steht oder fällt, durchaus spielentscheidend ist. Spätestens bei Yellow fällt auf, dass Martins Stimme an diesem Abend nicht im vollen Umfang zur Verfügung steht, was der Stimmung in der Arena jedoch keinen Abbruch tut. Dies liegt vielleicht auch daran, dass Martin alle zwei Minuten das Publikum fragt, ob es "okay" sei und auch brav diverse Ansagen auf Deutsch macht. Profis halt. Bemerkenswert ist zudem, dass der Sänger anders als auf vorherigen Touren erst beim siebten Song (Speed of sound) am Piano sitzt. Zuvor springt er zur Gitarre auf der Bühne herum wie ein Duracell-Männchen. In der Arena sorgen insgesamt 6 Videoprojektionsbälle neben einer hin und wieder eingesetzten Megaleinwand für die optische Multiplikation des Showgeschehens, innovative Effekte, die jedoch nicht darüber hinwegtäuschen können, dass hier mitunter musikalisch eher auf Sparflamme gekocht wird. Besonders deutlich wird dies bei den Tracks des neuen Albums, die live in keinem Augenblick der zugegebenermaßen hoch liegenden Vorlage der Studioversion gerecht werden. Außerdem fällt auf, dass einige Songs im Vergleich zu dem Original stark gekürzt wurden. Was in Momenten, in denen Chris Martin allein am Klavier auf einer Minibühne mitten im Publikum spielt weniger stört, als wenn die gesamte Band zu hören ist. Die Stimme von Martin festigt sich im Verlauf des Konzertes jedoch zu einer soliden Performance, hohe Passagen lässt er elegant von den begeisterten Fans singen.

{image}Ein wunderbarer Moment des Konzertes ist indes die Version The Scientist und der von Drummer Will Champion gesungenen Flipside der Violet Hill-Single Death Will Never Conquer, die beide auf den hinteren Rängen mitten im Publikum in akustischen Versionen interpretiert werden. Der B-Stage-Effekt ist zwar wieder von U2 (sic!) bekannt, dass sich die B-Stage jedoch wirklich mitten im Publikum befindet, und keine Bühne mit einer Begrenzung darstellt, ist jedoch neu und überaus wirksam. Zu Lovers In Japan gibt es dann neben Archivfilmen der japanischen Weltkriegsarmee einen Konfettiregen in Form von bunten Schmetterlingen, der die Musik endgültig ins zweite Glied degradiert.

Dies alles war dem Publikum jedoch einerlei, die Stimmung in der SAP-Arena hätte nicht besser sein können und der Großteil der 13.000 wird sich an den Sound- oder Stimmenproblemen wohl kaum gestört haben. Auf dem Weg nach draußen wird das Thema von Viva la vida in bester Fußballchor-Manier von vielen Fangruppen angestimmt. Alles in allem ein Triumph der Technik, der Effekte, der großen Gesten und nicht zuletzt des Publikums über die Musik.

Setlist:

1. Life In Technicolor
2. Violet Hill
3. Clocks
4. In My Place
5. Cemeteries of London
6. Yellow
7. 42
8. Speed Of Sound
9. Chinese Sleep Chant
10. God Put A Smile Upon Your Face
11. Yes
12. Talk (solo Piano)
13. The Hardest Part (solo Piano)
14. Lost!
15. Viva La Vida
16. The Scientist (B-stage)
17. Death Will Never Conquer (B-stage)
---Pause mit Talk remix vom Band---
18. Politik
19. Lovers In Japan
20. Death And All His Friends
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21. Fix you
22. The Escapist

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