Sulphur Sonic 2006
Schwefel
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Sulphur Sonic 2006 Schwefel Photograph: Jonathan Kloß © regioactive.de

Am Wochenende ging Norbert Schwefels zweitägiges Umsonst und Draußen Festival in die zweite Runde. Bands aus der Region sowie Acts aus München, Berlin und Hannover sorgten für die richtige Stimmung und machten das Sulphur trotz Regen auch dieses Jahr wieder zu einem gelungenen Treffen für alle Musikbegeisterten abseits des Chart Mainstream.

Als einer der festen Festivaltermin im August, bot das Sulphur Sonic auch dieses Jahr wie immer eine nette familiäre Atmosphäre abseits von hohen Preisen, Security, und Absperrungen, vor und unter Mannheims allseits beliebter Eisenbahnbrücken-Industrie-Romantik und das alles ganz umsonst und draußen. Finanziert wird das von Norbert Schwefel und dem Blau organisierte Happening alljährlich über den Getränkeverkauf und das ausschließlich vegetarische Essen wie zum Beispiel die S-förmigen ‚Laugen-Sonics’, die man sich schon zwecks Verbundenheit mit dem etwas anderen Festival der Musikmetropole Mannheim gerne einverleibt.

Der Freitag startet lautstark mit Homicidal Housepig, einer Mannheimer Hardcoreband. Die Musik eine Mischung aus Punk und Metal mit einer Sängerin, die das Publikum regelrecht anbrüllt. ‚HC-Over plus Female pierced shout along’ als Beschreibung der vier mörderischen Punkschweinchen ist damit mehr als passend.

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Im Anschluss bieten die Boogaloo Allstars, bestehend aus DJs der Suite, funkige Beats zum Warmtanzen bevor der Hausherr des Festivals mit seiner Band die Bühne betritt.

Schwefel bleibt seiner Ansage, aus dem Sulphur Sonic kein alljährlich wiederkehrendes Schwefel-Best Of zu machen, auch dieses Jahr treu. Nach Impro-Krautrock 2004 und Unplugged Set  des Sängers und Gitarristen 2005 versprach der Mentor der nicht-kommerziellen Szene für dieses Jahr "richtigen Rock'n'Roll, mit kurzen, kompakten Songs’ und hält sein Versprechen. Und nicht nur das: zusätzlich gibt es auch noch einen kleinen Vorgeschmack auf sein neues Album, das im Herbst erscheinen soll.

Den Abschluss des Freitags machen Transmitter aus Hannover mit einer Mischung aus Hip Hop, House und Elektro. Im Stil der Stereo MCs geht der Abend mit Trance Sound plus Hip-Hop Attitude doch sehr abgefahren zu Ende und das Konzept Norbert Schwefels schon am Freitag auf: ‚Unterschiedlichste Dinge aus dem Underground-Bereich zusammenbringen und zu einem Treffpunkt für Hippies und Punks, Alte und Junge, regionale und überregionale Bands zu werden.’

Der letzte Festivaltag beginnt bereits um 12 mit Sonnenschein und chilligen Jazzklängen der Band Cord Club um die Mannheimer Saxofonistin Cordula Hamacher.

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Ein bisschen voller wird es unter der Brücke mit Jayahdeva, die im Stile mancher bekannterer Britpopacts, progressiven Indie-Rock bieten. Die Songs handeln von Rastlosigkeit und Sehnsucht, ausgedrückt durch den ungewohnten Klang, den das Trio seinen Instrumenten entlockt. Vielleicht eine neue Hoffnung der Quadratestadtszene.

Richtig füllt sich das Neckarwiesenareal schließlich mit dem Mannheimer Reggae Urgestein Ras Abraham. Kurzzeitiger Sonnenschein passte bestens zum optimistischen Reggaesound und auch wenn das Publikum zum ersten Mal auf eine Zugabe verzichten musste (dies aber aus gutem Grund, denn die Band musste nach Frankfurt um ihren Flieger - wer weiß … vielleicht nach Kingston Jamaika? - zu kriegen) traute man sich zum Tanzen sogar ganz nah an die Bühne. Sei es mit gelungenen Covern wie Gangsters Paradise oder eigenen Kompositionen Jah makes the world go round…

Noch viel abgefahrener und zum Konzept des Festivals passend, wird es mit dem Auftritt des experimentellen Theaters Büro für angewandten Realismus, die dem Publikum eine doch sehr eigenwillige Performance der "Loreley" von Heinrich Heine bieten. Ob Theater rockt, weiß ich nach diesem Auftritt leider immer noch nicht, aber daran war vielleicht auch der plötzlich einsetzende Regen, die Flucht unter die Brücke und die danach etwas versperrte Sicht auf die sehr männlich anmutende Lorelei schuld.

Die absoluten Favoriten des diesjährigen Festivals, zumindest aus Sicht des Veranstalters, sind Colour Haze. Norbert Schwefel versucht nämlich tatsächlich schon seit den Anfängen des Sulphurs das Stoner-Rock-Trio aus München unter die Brücke zu holen. Songs, bei denen man jegliches Zeitgefühl verliert, die ineinander zu fließen scheinen und zum größten Teil auf Gesang verzichten. Colour Haze spielen nicht nur heftige Stoner-Riffs, sondern das ganze so psychedelisch schwebend, dass man sie gleichzeitig mit Velvet Underground und den frühen Motorpsycho vergleichen könnte. Für viele wohl der Höhepunkt des Festivals.

Tonia Reeh alias Monotekktoni aus Berlin als Schlussact ist beinahe so experimentell wie das Theater, aber das liegt bei weitem nicht nur an der elektronischen Musik, sondern auch am Styling der Sängerin. Mochte man sie anhand des Keyboards und des trancigen Elektro ein wenig mit Marusha vergleichen, erinnerten Kopf- und Körperbedeckung eher an ein Wesen vom anderen Stern. Der Song Schieß mir ein Loch in den Kopf erstickt solche erdfernen Überlegungen jedoch sofort im Keim und lässt das Publikum wieder auf den Boden der Tatsache Musik zurückkommen. So schlimm, dass es für Selbstmord reichen würde fand ‚Monotekktoni’ ihren Auftritt jedoch nicht und auch Mannheim schien ihr zu gefallen, wie sie desöfteren versicherte. Spätestens als sie sich für die Versetzung des Berliner Fernsehturms anlässlich ihres Auftritts nach Mannheim bedankt, erntet sie trotz Regen noch mal die Lacher der Übriggebliebenen.

Auch wenn es während des Konzerts von Colour Haze und Monotekktoni gar nicht mehr aufhören wollte zu regnen, nahmen das sowohl Bands als auch Publikum gelassen und blieben trotzdem bis zum Schluss. Denn Regen kann die Besucher des Sulphur Sonic schon lange nicht mehr abschrecken, nicht gerade selten sah man fröhliche Menschen in kompletter Regenausrüstung mitsamt Gummistiefeln ganz nach dem Motto, dass ein kuscheliges Zusammenrücken unter der Riedbahnbrücke das Festival schließlich gleich nochmal um einiges familiärer macht.

Passend zur Experimentierfreude, Vielseitigkeit und dem unabhängigen Charakter des Festivals, kam in diesem Jahr halt auch der Herbst schon im August.