An zwei Abenden hintereinander war die Berliner o2-World bei Pearl Jam ausverkauft.

An zwei Abenden hintereinander war die Berliner o2-World bei Pearl Jam ausverkauft. © Danny Clinch

Bei ihren einzigen Deutschland-Shows im Rahmen ihrer aktuellen Europatour verwandelten Pearl Jam die sterile Berliner o2-Arena gleich zwei Mal in eine Wohlfühl-Location. Denn nachdem das erste Konzert rasend schnell ausverkauft war, wurde schnell noch eine weitere Berlin-Show geplant. Das Ergebnis des zweiten Abends: Knapp zweieinhalb Stunden lang spielten sich Eddie Vedder und Co. in einen Rausch und hinterließen dabei ein zutiefst berührtes Gefolge.

{image}Kaum eine Fangemeinde ist ekstatischer und hingebungsvoller in Bezug auf ihre Heroen wie die Pearl Jam-Gefolgschaft. Die Massen kleben regelrecht an den Lippen von Eddie Vedder. Keine Silbe und keine Zuckung des Grunge-Veteranen darf verpasst werden. Umso mehr dürfen sich einige hundert Jünger der Kombo, die während der Support-Vorstellung der legendären Punkband X lieber am Würstchenstand verweilen, ärgern, dass ihnen ausgerechnet die erste Vorstellung Vedders an diesem Abend verwehrt bleibt. Der lässt es sich nämlich nicht nehmen seinen Jugendhelden während des letzten Songs auf der Bühne zur Seite zu stehen.

{image}Kurze Zeit später ist aber auch die letzte Gourmet-Bude verwaist und tausende Augenpaare in der rappelvollen Berliner o2-World starren gespannt auf die Bühne, die unter den Klavierklängen aus Philip Glass' Metamorphosis No. 2 in dunkles Licht getaucht wird. Oceans, Breakerfall und das fulminante Animals bilden den Startblock und verwandeln die opulente Mehrzweckhalle im Herzen der Hauptstadt bereits nach wenigen Minuten in ein Tollhaus. Die Massen drängen nach vorne und die ersten erschöpften Leiber werden über die Köpfe in den Fotograben gehievt. Kein schönes Bild für die Protagonisten, die spätestens seit der Roskilde-Tragödie im Jahr 2000 extrem sensibilisiert sind, wenn es um unkoordinierte Massenbewegungen geht. Und so zügelt der Frontmann die Begierigen vor ihm noch bevor die erste Viertelstunde der Show zu Ende geht. Zum Glück für alle Beteiligten zeigt sich die ausgelassene Gemeinschaft verständnisvoll und kooperationsbereit, sodass einem abermals denkwürdigen Hauptstadt-Gig der Mannen aus Seattle nichts mehr im Wege steht. Eddie Vedder ist sichtlich gerührt: "Wir waren schon so oft in eurer Stadt zu Gast, und es ist jedes Mal wieder überwältigend, mit welchem Enthusiasmus ihr uns empfangt", haucht der Sänger ins Mikrofon.

{image}Die Band fühlt sich sichtlich wohl und die Strapazen des Vorabends sind Mike McCready, Stone Gossard und Co. zu keiner Sekunde der Show anzumerken. Ganz im Gegenteil: Es wird gerockt, geschunkelt und geschäkert, als gäbe es kein Morgen. Im Mittelteil von Even Flow macht es sich Eddie Vedder gar abseits des Treibens mit einer Zigarette gemütlich und lauscht den beeindruckenden Jam-Fähigkeiten seiner Mitstreiter, als wäre er selbst ein Fan. Insgesamt bedient sich die Band fast jeder Phase ihres Schaffens und lässt in punkto Setlist kaum Wünsche offen. Hail Hail, Just Breathe, Better Man und der Über-Hit Alive zum Ende des zweiten Encore-Teils werden von der Masse frenetisch gefeiert. Als sich dann zu später Stunde mit Yellow Ledbetter der 29te (!) Song des Abends zum Ende neigt, sind viele Zeitzeugen mit den Gedanken bereits beim nächsten Mal. "Egal wann und wo: sagt uns einfach Bescheid, wenn wir wiederkommen sollen", so Vedder beim Finale. Neben mir stand einer auf und schrie Richtung Bühne: "Morgen! Wie wär's mit Morgen. Selbe Uhrzeit, selber Ort!" Kaum einer der Besucher hätte da wohl etwas dagegen.

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