Bob Geldof ist nicht nur auf der Bühne sehr präsent.

Bob Geldof ist nicht nur auf der Bühne sehr präsent.

Bob Geldof ist heute als politischer Aktivist mindestens genauso bekannt wie als Musiker. Die Mega-Evens Live Aid und Live 8 sind untrennbar mit seinem Namen verbunden. Grund genug, die Motive seines politischen Engagements näher zu beleuchten. Im zweiten Teil des Interviews spricht Bob Geldof über Irland in der Krise und wie es ihm Ende der 1970er Jahre gelang, Auftrittsverbot in Irland zu erhalten.

lest hier den ersten Teil des Interviews mit Bob Geldof.

{image}Konversation ist ein Volkssport in Irland, sagt Bob Geldof und es ist leicht zu erkennen, was er damit meint. Über jedes beliebige Thema vermag er sich auszutauschen, zu fast allem kann er eine mehr oder minder fundierte Meinung liefern. Nicht geringen Anteil an seiner Lust zu reden und zu diskutieren hatte sein kürzlich verstorbener Vater, der mit provokanten Aussagen versuchte, den jungen Bob Geldof und seine Geschwister in Debatten zu verwickeln, um so das schmerzhafte Schweigen in der Familie nach dem frühen Tod der Mutter zu überwinden. Bob Geldof wuchs in einer Zeit auf, als die irische Mentalität immer noch stark von der Selbstbehauptung gegen das übermächtige Großbritannien geprägt wurde, das Irland viele Jahrhunderte wie eine Kolonie beherrscht hatte. Ein zentrales Mittel des Widerstands gegen die Fremdherrschaft war, ähnlich wie in Polen, die Katholische Kirche, die mit der irischen Identität bis vor kurzem untrennbar verbunden war. Geldof hat nicht viel Positives über die Katholische Kirche zu sagen hätte, aber sie hat ihn genauso geprägt wie alle anderen Iren. 

Vor dem Wirtschaftsboom der 1990er war Irland ein bitterarmes Agrarland, viel ärmer als es selbst heute nach der Finanzkrise und dem Kollaps des irischen Bankensektors ist. Aus diesem Grund wanderten Millionen Iren im 19. und 20. Jahrhundert nach England, Nord- und Südamerika, Australien und in viele weitere Länder aus. In der Diaspora behaupteten sich die Iren insbesondere durch engen Zusammenhalt und Solidarität, eine Fähigkeit, die sie in Jahrhunderten Fremdherrschaft erlernt hatten. Gleichzeitig hielten sie aber enge Verbindungen zu ihrer alten Heimat aufrecht. So ging es auch Bob Geldof, der als junger Mann nach Kanada auswanderte, wo er als Musikjournalist arbeitete, bevor er Ende der 1970er Jahre nach Irland zurückkehrte.

{image}Als politisch gebildeter Mensch, der mit wachen Augen durchs Leben schritt, entschied sich Bob Geldof frühzeitig politische Entwicklungen nicht nur zu beobachten, sondern tatkräftig mitzugestelten. Schon frühzeitig verfolgte er das Ziel, durch seine Musik Popularität zu erlangen, um auf Anliegen aufmerksam machen zu können, die ihm wichtig erschienen. Das Risiko, sich Ärger einzuhandeln, nahm der streitbare Musiker dabei stets in Kauf. Wer Bob Geldofs heutigen globalen Aktivismus verstehen will, muss daher seine irischen Wurzeln und die Anfänge seines Engagements in den Blick nehmen. Obwohl die Chronologie der Ereignisse nicht immer stimmt, bietet der zweite Teil des Interviews doch einen faszinierenden Einblick in die Hintergründe seines politischen Aktivismus.

regioactive.de: Wenn Sie über die Veränderungen in Irland nachdenken: Früher war das Land arm, dann kam der Boom und nun müssen die Iren ihre Banken retten und von vorne anfangen. Ist es vielleicht Zeit für Self Aid 2?

Bob Geldof: Nein, glaube ich nicht. Die Produktivität in Irland ist höher als in Deutschland. Die Wirtschaftskrise in Irland gleicht der Subprime-Krise in Amerika. Sie basierte auf einem überhitzten Immobiliensektor und zinslosen Krediten. Die Banken haben komplett die Selbstkontrolle verloren und das risk management ignoriert. Sie haben sehr arme Leute dazu gebracht, zinslose Kredite aufzunehmen, um ein Haus zu finanzieren und als sie die Kredite zurückfordern, konnten diese Leute nicht zahlen. Viele dieser Banker sollten im Gefängnis sein, jedenfalls in Irland. Wenn wir, Sie oder ich, dasselbe getan hätten, säßen wir im Gefängnis.

Mit ihrer Band Boomtown Rats haben sie ja auch ein bekanntes Lied namens Banana Republic über Irland geschrieben.

Banana Republic wird im Augenblick dauernd in Irland gespielt. Wir Iren waren immer arm. Die Briten haben uns nie erlaubt, eine eigene Industrie zu entwickeln, weil sie das für zu gefährlich hielten. Wir waren die Kornkammer für London. Der Norden [Nordirland, die mehrheitlich von aus Schottland stammenden Protestanten besiedelte Provinz Ulster] war loyal zur britischen Krone. Sie durften Industrie haben, wie die großen Werften, wo die Titanic gebaut wurde. Der Süden nicht. Als ich jung war, gab es keine Arbeitsplätze für jemanden wie mich. Auszuwandern war die logische Konsequenz: Die Hälfte der irischen Geschichte fand außerhalb Irlands statt.

{image}Als ich [1975 aus Kanada] zurückkehrte, fand ich ein Land vor, das am Rande des Bürgerkriegs stand. Der [spätere] Premierminister Charles Haughey war vollständig korrupt. Er gab Bauland rund um Dublin an seinen Sohn, um Häuser darauf zu errichten. Mit dem Geld, das sie verdienten, kauften sie Waffen für die IRA. Sie schmuggelten Drogen und kontrollierten das Baugewerbe. Man muss sich das vorstellen: Der Premierminister eines souveränen Landes verkaufte Gewehre und Munition, um andere Iren zu töten! Die Katholische Kirche wusste das, aber sie schwieg, weil die Priester damit beschäftigt waren, Kinder sexuell zu missbrauchen. Die Unternehmer schwiegen, weil sie selbst davon profitierten.

Wir alle wussten das, es gab eine Verschwörung des Schweigens. Das war das schlimmste! Man sagte mir: „Ach Bob, wenn Du an deren Stelle wärst, würdest Du dasselbe machen!“ Ich entgegnete: „No, I fucking wouldn’t!“ Als ich das erste Mal im Fernsehen auftrat, dachte ich, das würde mein einziger Fernsehauftritt bleiben. Also sagte ich alles, was ich zu sagen hatte.

Das Ergebnis war das berühmte Interview mit Gay Byrne in der Fernsehsendung The Late Late Show im Jahr 1977, in dem sie „korrupte Politiker“ und die „mittelalterlichen“ Praktiken der katholischen Kirche kritisierten. Danach erhielten sie in Irland Auftrittsverbot.

Ja, wir hatten Auftrittsverbot. Banana Republic habe ich danach über reale, aber auch moralische Korruption geschrieben [Das Lied wurde 1980 veröffentlicht].

Einer der Vorteile des Älterwerdens ist, dass man manchmal Recht behält. Später gab es eine ganze Reihe öffentlicher Untersuchungen in Irland, die vieles aufgedeckt haben, beispielsweise die Vertuschung sexuellen Missbrauchs von Kindern durch die Katholische Kirche oder die Bestechung von Politikern durch Unternehmer.

Ich bin froh, Banana Republic geschrieben zu haben, aber damals erhielten wir – natürlich! – Auftrittsverbot. Wir kamen an Veranstaltungsorten an und das Konzert war abgesagt. Über die Boomtown Rats wurden Reden im Parlament gehalten, der Erzbischof erhob sich am Sonntag und predigte für unsere armen fehlgeleiteten Seelen. Fuck off! Wir waren sozusagen die irischen Sex Pistols.

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