Architecture in Helsinki (live in Heidelberg, 2011)

Architecture in Helsinki (live in Heidelberg, 2011) © Daniel Nagel

Bei ihrem Auftritt im Heidelberger Karlstorbahnhof verbanden Architecture in Helsinki Indie-Attitüde mit Tanzbarkeit und begeisterten damit ihre überwiegend jungen Fans.

{image}Zum Auftakt des Abends spielten I Am Poet ein sehr kurzes Set experimentellen Post-Rocks, das teilweise zerfahren und fragmentarisch wirkte – was möglicherweise in kurzfristigen personellen Veränderungen ihre Ursache hatte. Viel Applaus des erfreulich aufgeschlossenen Publikums erhielt vor allem die abschließende Piano-Ballade. Im Augenblick befindet sich die Band im Studio und nimmt ihr Erstlingswerk auf; man darf also gespannt sein. Auf den Hauptact des Abends bereitete die Homepage des Karlstorbahnhofs die Besucher mit der Information vor, dass Architecture in Helsinki als "australische Seelenverwandte" von Arcade Fire bezeichnet werden. Aber von wem? Und warum? In Wirklichkeit besteht die Gemeinsamkeit zwischen beiden Bands darin, dass sie im Indie-Regal im Plattenladen direkt aufeinanderfolgen. Die Musik von Arcade Fire ist zügellos, bombastisch und vermittelt ein nervöses Gefühl unterschwelliger Bedrohung. Architecture in Helsinki hingegen haben es sich zur Aufgabe gemacht, ihr Publikum mit tanzbaren Rhythmen und unbändigem Enthusiasmus mitzureißen. Während die Band auf ihren Alben den anfänglichen verqueren Indie-Charme bedauerlicherweise gegen eine hochglanzpolierte 1980er-Jahre Oberfläche eingetauscht hat, präsentiert sie sich live stärker ihrem ursprünglichen Image verhaftet.

{image}So wird der Bandsound keineswegs so stark von Synthesizern dominiert wie auf ihrem aktuellen Album Moment Bends; stattdessen verbinden sich Gitarren und Schlagzeug mit den allgegenwärtigen Synthesizern und erzeugen so eine reizvolle und unterhaltsame Mischung aus Indie-Rock und Disco-Stompern. Das Konzert offenbart aber auch Schwächen der Band, und zwar die gesangliche Limitierung der hauptsächlichen Sänger Cameron Bird und Kellie Sutherland, deren dünne Stimmen nicht die Präsenz besitzen, die man ihnen mit moderner Studiotechnik auf ihren Platten verleihen kann.

{image}Schwerwiegender ist die Schwäche des neuen Materials, das auch in Hinblick auf Beats, Dramaturgie und Melodien nicht mit ihren besten Liedern mithalten kann. Nun stand im Zentrum der Musik von Architecture in Helsinki stets die Attitüde und nicht das Songwriting, aber die zeitweise erlahmende Begeisterung des vornehmlich jungen, begeisterungsfähigen und sehr tanzwilligen Publikums unterstützt diese Sichtweise. Dass das Konzert dennoch leidlich unterhaltsam ist, liegt am nie nachlassenden Engagement der Band, die mit ihrer schieren Freude an der Musik manches Problem überspielt. So wird die Reparatur einer Kickdrum mit einer akustischen Nummer (!) aus der Frühzeit der Band überbrückt.

{image}Wer jetzt aber glaubt, Architecture in Helsinki hätten sich bei dieser Gelegenheit als verlorengegangene Singer/Songwriter-Helden entpuppt, muss eines Besseren belehrt werden.

So hinterlässt das Konzert einen zwiespältigen Eindruck. Man hat nicht den Eindruck, dass Architecture in Helsinki zwischen Indie-Rock und Disco-Pop gefangen sind, aber warum klaffen ihre Veröffentlichungen und ihre Konzerte stilistisch so weit auseinander? Und was bedeutet das für ihren künftigen Weg? Ein bald folgendes Interview mit der Band vermag vielleicht Auskunft zu geben.

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