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Wolf Alice (live in Heidelberg, 2018) © Andreas Defren

An einem in jeder Hinsicht unkonventionellen Konzertabend in der Heidelberger halle02 sorgen Wolf Alice für Riesenbegeisterung bei ihren Fans. Eine solche Band gibt es definitiv kein zweites Mal.

Schon die Vorband macht klar, dass die Zuschauer in der halle02 Ungewöhnliches erwartet. Surfbort heißt die Truppe, stammt aus Brooklyn und spielt Punkrock wie Ende der 1970er-Jahre.

Party like it's 1977

Noch bemerkenswerter ist die Zusammensetzung: Sängerin Dani Miller ist ungefähr halb so alt wie ihre Bandmitglieder. Logischerweise nennt Dani ihre Bandmitglieder daher "my dads".

Wie in jeder guten Familie gibt es prompt Stress auf der Bühne, als Dani zu einer ihrer unkonventionellen Ansagen ansetzt ("Are you guys into muuuuuuusic?") und Drummer Sean Powell ihr einfach mit seinem Schlagzeug über den Mund fährt, indem er den nächsten Song beginnt. Dani lässt sich nichts anmerken, nimmt sich aber ihren Kollegen beim nächsten Break zur Brust.

Der anarchische Geist der Band ist am Ende das, was vom Gig in Erinnerung bleibt. Dani zieht ihren Act als Punk-Queen voll durch, unternimmt sogar einen Ausflug ins Publikum und die Band gibt ordentlich Vollgas. Nur erinnerungswürdige Songs sind leider rar.

Punkrock oder Dream-Pop?

Das ist beim Hauptact anders. "Beautifully Unconventional" heißt ein Song auf "Visions of a Life", dem neuen Album von Wolf Alice. Es ist in jeder Hinsicht ein programmatischer Titel. Wo sonst findet man eine Band, die zwischen kurzen Punk-Rock-Statements und melancholischem Dream-Pop wechselt?

Gleich zu Beginn sorgt die Single "Yuk Foo" für springende und moshende Fans. Genau das war auch die Intention der Band, wie Bassist Theo Ellis in einem Interview erklärte: "We wanted stuff that was going to get people to jump around to live." Mission erfüllt. 

Wenn das nur immer so einfach wäre! Eine schlechtere Band würde mit solchen Ideen katastrophalen Schiffbruch erleiden. Nicht so Wolf Alice. Auf unheimliche Art und Weise passen ihre Songs perfekt zusammen – egal ob langsam oder schnell.

Dynamisch

Wolf Alice spielen einen Großteil ihres aktuellen Albums, das nicht zu Unrecht mit dem Mercury Prize ausgezeichnet wurde. Dazu kommt ein Querschnitt ihres übrigen Werks, der trotz ihrer Hinwendung zu rockigeren Sounds unterstreicht, wie klar ihre künstlerische Vision von Beginn an war.

Dass die Band schon seit Jugendzeiten gemeinsam musiziert, wird auf der Bühne schnell offensichtlich: Ihr Sound ist perfekt aufeinander abgestimmt: durchdringend, aber nicht übermäßig laut, differenziert und doch kohärent. 

Rampensau

Auf der Bühne agiert Sängerin Ellie Roswell zurückhaltend, überzeugt aber mit ihrer kraftvollen, klaren Stimme. Für die Action sorgen Gitarrist Joff Oddie und vor allem Theo Ellis am Bass, der das Publikum mit breitem Grinsen und wilden Posen immer wieder zum Abgehen animiert.

Die deutsche Sprache hält dafür das schöne Wort Rampensau bereit. Es erstaunt nicht, wenn man liest, dass Ellis auch schon in Filmen mitgespielt hat.

Einzigartig

Mit diesem Rezept sorgen sie bei ihren Fans für gewaltige Euphorie. Diese sind übrigens alles andere als einheitlich. Viele der jüngeren Zuschauer springen und jubeln enthusiastisch, während die ältere Generation wohlwollend in den hinteren Reihen applaudiert. Wolf Alice sprechen Musikfans ganz unterschiedlicher Altersklassen an.

Wolf Alice sind eine Band kurz vor dem ganz großen Durchbruch – so wirkt es jedenfalls in Heidelberg. Gut möglich, dass die Band in wenigen Jahren Headliner bei großen Festivals ist – zumindest in England, vielleicht aber auch anderswo. Aber selbst falls das nicht geschieht, eines ist klar: Wolf Alice sind ganz und gar einzigartig.

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