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Impressionen vom Primavera Sound Festival 2017 © Sarah Ciminski

Mehr als 200.000 Besucher, über 200 Acts, fünf Tage – das war das 17. Primavera Sound. Dabei zeichnete sich das Lineup auch 2017 wieder durch eine außergewöhnliche Bandbreite aus. So teilten sich unter anderem Arcade Fire, Aphex Twin, Solange, The XX, Bon Iver und Slayer die Pole Position als Headliner.

Neben Bands und Musikern fast aller Genres waren zudem auch die unterschiedlichsten Generationen vertreten. Der Auftritt von The Zombies, die ihr legendäres Album "Odessey and Oracle" im Konzertsaal des Auditoriums vollständig aufführten, ließ für kurze Zeit die 60er Jahre nochmal lebendig werden. Damit knüpften die Macher des Festivals an den Auftritt der Beach Boys im letzten Jahr an, die ihr einflussreiches Album "Pet Sounds" spielten.

Mit Van Morrison und Grace Jones standen noch zwei weitere Legenden der Popgeschichte auf der Bühne, die vor 1950 das Licht der Welt erblickt hatten. Insbesondere Grace Jones beeindruckte mit einer Bühnenshow die sich bezüglich Exzentrik, Extravaganz und Kostümwechseln vor keiner ihrer jüngeren Kolleginnen verstecken musste.

Secret Gigs sind der neue Trend

In Sachen Extravaganz scheint das Primavera Sound überhaupt danach zu streben, die Konkurrenz in den Schatten zu stellen. So durften sich die Besucher dieses Jahr auf insgesamt drei Geheimgigs freuen, deren Acts erst kurz vor dem jeweiligen Event bekannt gegeben wurden.

So spielten Arcade Fire am Donnerstag auf einer kleinen, fast intimen Bühne. Am Freitag legten die Macher dann mit Mogwai nach, die ihr neues Album präsentierten, und am Samstag gaben Haim ein Überraschungskonzert. Einen nicht ganz geplanten Bonus gab es außerdem am Freitag, als Jamie xx für Frank Ocean einsprang, der seinen Auftritt kurz zuvor abgesagt hatte.

Dunkle Töne für starke Ohren

Die Fans von extremer Musik erwarteten unter anderem Konzerte von Slayer, Swans, Aphex Twin, Death Grips, Gojira und Converge. Allerdings schien insbesondere das sehr noise-lastige Set von Aphex Twin und die unbeschreibliche Lärmwand von Swans zahlreichen Besuchern dann doch zu viel des Guten, da bei deren Shows nach nur kurzer Zeit eine regelrechte Flucht aus den Schalltrichtern der Boxen einsetzte.

Ähnlich erging es der Bostoner Hardcore-Band Converge, was allerdings mehr auf eine mittelmäßige Performance der sonst für ihre Livegewalt bekannten Amerikaner zurückzuführen war. Mit Front 242 und Skinny Puppy gaben sich außerdem noch zwei stilprägende Bands aus der Industrial-Szene die Ehre und lieferten trotz des etwas aus der Mode gekommenen Genres jeweils gut besuchte Shows ab.

Zwischen Individualisten und Mainstream

Auf dem Primavera Sound war neben den großen Namen und den spektakulären Konzerten aber auch immer Platz für das ein oder andere Kleinod. Dazu gehörten dieses Jahr zweifellos Alex Cameron und sein "Business Partner" Roy Malloy. Der junge Crooner und sein Saxophonist, beide aus Australien, lieferten im Auditorium ein mitreißendes Konzert ab. Camerons etwas steifer, aber nichtsdestotrotz leidenschaftlicher Tanzstil gepaart mit seiner tiefen Stimme und den ironischen bis beißend-sarkastischen Texten war eine angenehme Abwechslung zum hektischen Festivalalltag.

Wie in den vorangegangenen Jahren war diese Hektik auch 2017 wieder spürbar angestiegen. Da das Primavera Sound sich besonders im anglophonen Raum immer größerer Beliebtheit erfreut, trifft das dortige exzessive Festival- und Urlaubsverhalten auf die eher entspannte Feierkultur Südeuropas. Dabei hat sich das Verhältnis in den letzten Jahren zunehmend in Richtung anglophoner Besucher verschoben.

Das führt dazu, dass der Umgangston auf dem Festival spürbar rauer geworden ist und sich immer mehr Alkohol- und Drogenleichen über das Geländer verteilen. Der Umstand, dass die Organisatoren des Festivals die beiden kleinen Elektro-Floors des letzten Jahres zu riesigen Freiluft-Raves im Stile Ibizas und Mallorcas erweitert haben, verschärft diese Entwicklung noch.

Zu viel des "Guten"

Hier zeichnet sich eine klare Entwicklung hin zu noch mehr Besuchern auf Kosten des Flairs ab. Zwar sind die beiden Floors durch eine lange Brücke vom Rest des Geländes getrennt, jedoch schwappt die Masse an extrem überfeierten Besuchern stetig auf das Hauptgelände. Insbesondere am Samstag, gegen Ende der Konzerte im Parc del Forum, war zahlreichen Besuchern anzumerken, dass der Fokus vornehmlich darauf lag, etwaige illegale Substanzen nach Möglichkeit noch vor dem Rückflug zu vernichten.

Das Ergebnis ist ein Festival, dessen Line-up sicherlich weiterhin ein absolutes Alleinstellungsmerkmal ist, das in Sachen Atmosphäre und Umgang miteinander aber zunehmend an Einzigartigkeit verliert. Es wäre wirklich schade, wenn sich diese Entwicklung fortsetzt und am Ende nur ein weiteres Glastonbury oder Reading am Mittelmeer entsteht.

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