Annett Louisan (live in Mannheim, 2017) Fotostrecke starten

Annett Louisan (live in Mannheim, 2017) © Beatrix Mutschler

Deutschlands niedlichste Vorzeige-Chanteuse überzeugt ihre Anhänger mit Babybauch und neu gewonnener musikalischer Tiefenschärfe im nahezu ausverkauften Mannheimer Rosengarten und bietet Einblicke in ihre noch unveröffentlichte neue Studioplatte.

Nach 13 Jahren, sechs Studioplatten, einem Coveralbum und der medienwirksamen Teilnahme an "Sing meinen Song" im Jahr 2016 steht Annett Louisan als frisch gebackene 40-Jährige in der Mitte ihres Lebens.

Anstehendes Mutterglück

Ihre vornehmlich weiblichen Anhänger strömen an diesem Abend mit oder ohne Herrenbegleitung zahlreich in den Mannheimer Rosengarten.

Die wortwitzigen aber auch tiefgehenden Chansons der Wahlhamburgerin haben nach wie vor eine große Anziehungskraft und treffen oft die Befindlichkeit ihres weiblichen Stammpublikums, das die letzten 14 Jahre alle privaten Höhen und Tiefen in den Konzerten und Liedern miterleben konnte.

Intimer Rahmen

Kürzlich berichtete die Presse über das anstehende erste Mutterglück der gebürtigen Havelsbergerin – was im Konzert natürlich sogleich thematisiert wird. Mit "Kleine Zwischenfälle" von ihrem dritten Album "Das optimale Leben" stellt die zierliche Sängerin gekonnt ihre Schwangerschaft an den Beginn des Abends und zeigt stolz ihren Babybauch mit dem "kleinen Passagier".

Zu Beginn sucht Annett Louisan etwas nach stimmlicher Sicherheit, gewinnt aber von Song zu Song an Ausdruck und Stärke auf der intimen Bühne, deren Mitte nicht wie bei früheren Konzerten eine Showtreppe, sondern ein gemütliches Sofa ziert. "Die Dinge" vom Debütalbum wird bereits frenetisch vom Publikum in Empfang genommen, bevor die Sängerin Einblicke in ihre neue Platte gewährt, die bedingt durch die Schwangerschaft doch noch nicht vollendet sei, wie sie berichtet.

Eine unfertige Platte

Besonders das bewegende, lyrische "Zweites erstes Mal", die Ode an ihre alleinerziehende Mutter "Meine Kleine", die famose 60s-Verbeugung "Belomondo und die Frau auf der Waschmaschine" lassen Großes erahnen.

Mit "Schnatalie" verteilt Louisan mal wieder verbale Ohrfeigen an hass-geliebte Freundinnen aus dem realen Leben, die "erst nach Luft schnappen und dann einschnappen". Das Ganze wird witzig untermalt von einem Dire Straits-artigen Shuffle.

Neue Band & "Sing meinen Song"

Mit ihrer neu formierten fünfköpfigen Band um den kanadischen Gitarristen Martin Gallop, der den langjährigen musikalischen Leiter Hardy Kayser ablöst, wirken die radiotauglichen Hits der letzten Jahre etwas kantiger, ja zum Teil sogar aufbrausender.

Das betrifft besonders zwei Songs vom letztjährigen Coveralbum "Berlin, Kapstadt, Prag": "Stark", geschrieben von der geschätzten Annette Humpe, rockt richtig beim Outro. "Engel" von Rammstein serviert die neue Louisan-Band als Mischung aus Tarantino-Soundtrack und 70s Pink Floyd. Keine Frage, Annett Louisan hat sich musikalisch weiterentwickelt und steht auf eigenen Beinen. Wichtig hierfür war sicherlich ihre "Sing meinen Song"-Teilnahme, der sie mit "Herz gebrochen" von Deutschrapper Sammy Deluxe Ehre erweist.

Evergreens und Tiefgang

Louisan kramt in ihrem Fundus und präsentiert "Er hat's schwer" nur von der akustischen Gitarre bekleidet, arrangiert den Hit "Drück die 1" abenteuerlich, aber publikumswirksam neu und legt mit den Worten "Ihr wollt sie – ihr kriegt sie" den Titel "Eve" nach.

Sie beherrscht aber auch die leisen Töne und Tiefgang. "Wenn man sich nicht mehr liebt" beschreibt immer noch treffend den Schmerz und die Entfremdung einer zerbrochenen Liebe und "Was haben wir gesucht" die Seelenqual der Geliebten, die den Mann ihrer Träume teilen muss und schließlich verliert. Beide Stücke waren Höhepunkte auf ihrem Album "Das optimale Leben", mit dem sie 2009 im Rosengarten gastierte.

Endspurt

Das Publikum ist glücklich und lauscht den Anekdoten der werdenden Mutter, die entspannt und bei sich selbst wirkt wie selten zuvor während der bisherigen Liveauftritten im Rhein-Neckar-Dreieck. "Bye By Love", das enthusiastische Cover der Everly Brothers und ihr immer noch größter Hit sowie der Auslöser für ihr langjähriges Lolita-Image "Das Spiel" beschließen nach knapp zwei Stunden einen gelungenen Konzertabend.

Unter stehenden Ovationen legt Annett Louisan das unvermeidliche "Das alles wäre nie passiert" nach und verabschiedet sich dann endgültig mit dem sehr schönen, neuen "Die schönsten Wege sind aus Holz" auf leisen Sohlen in den anstehenden Mutterschaftsurlaub und ein letztes Konzert in Hamburg.

Setlist

Kleine Zwischenfälle / Die Dinge / Zweites erstes Mal / Schnatalie / Ich tu‘ nur weh wenn ich liebe / Wenn man sich nicht mehr liebt / Drück die 1 / Eve / Meine Kleine / Stark / Engel / Er hat's schwer / Traum / Belmondo und die Frau auf der Waschmaschine / Was haben wir gesucht / Alles erledigt / Herz gebrochen / Bye Bye Love / Das Spiel / Das alles wär nie passiert / Die schönsten Wege sind aus Holz

Alles zum Thema:

annett louisan