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re:publica 2016 © regioactive.de

Was einst als Grassrootsbewegung einer überschaubaren deutschen Bloggerszene begann, zeigt sich bei der re:publica TEN als beeindruckender netzwerkübergreifender Kongress, der Industrie, Politik, Webaktivisten, Entwickler, Journalisten und viele weitere rund um das Thema "Internet" in Berlin zusammenführt.

Wie es sich für einen guten Gastgeber gehört, stellte die re:publica anlässlich ihres zehnten Geburtstags auch für alle Besucher ausreichend "Futter" zur Verfügung.

Die Qual der Wahl

Das umfangreiche Programm bestand aus Sessions, Key Notes & Workshops und deckte nahezu alle relevanten Themen rund um die zunehmend digitalisierte Gesellschaft ab. Laut Angaben der Veranstalter wurden auf 17 Bühnen die Mikros von 770 Sprecherinnen und Sprechern geteilt und Inhalte an über 8000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 60 Ländern vermittelt.

Nicht selten stand der interessierte Besucher vor der Wahl, welche der vielen parallel stattfindenden Veranstaltungen er nun besuchen solle und fand sich dann vor verschlossenen Türen der zum Teil überfüllten Räume wieder – und das obwohl die Veranstaltungsfläche im Vergleich zum Vorjahr um 10.000 Quadratmeter erweitert wurde.

Von der Marketingrelevanz der Jugend-App Snapchat über die Eindämmungsmöglichkeiten von "Hate-Speech" bis hin zu ethisch moralischen Aspekten, die bei der Entwicklung von selbstfahrenden Autos zu berücksichtigen sind, wurde nahezu das gesamte Spektrum der Online-Welt beleuchtet und mehr oder weniger kritisch hinterfragt. Zu den Highlights der diesjährigen re:publica gehörten das Live-Interview mit Edward Snowden sowie eine Greenpeace-Analyse bisher geheimer TTIP-Dokumente.

Prominente aus Netz und Politik

In diesem sehr weitreichenden thematischen Kontext drückte sich nicht nur die Web-Prominenz die Klinke in die Hand. Neben Sascha Lobo, Johnny Haeusler, Markus Beckedahl und anderen Web-Publizisten betraten auch Polit-Größen wie Andrea Nahles und Günther Oettinger die Bühnen.

Ein Indiz dafür, dass die re:publica längst nicht mehr den anarchischen Anstrich genießt wie noch vor einigen Jahren. Dazu hat sicherlich auch die nun seit drei Jahren existierende enge Kooperation mit der media convention berlin beigetragen, die ohne inhaltliche Trennschärfe komplett in das Programm der re:publica eingewoben wurde.

Auf der Suche nach neuen Schnittstellen

Ohne Zweifel ist es aller Ehren wert, dass es die Veranstalter geschafft haben, Politik, User sowie die (Web-)Industrie im weitesten Sinne auf einer Plattform zusammenzuführen. Ob dieser Ansatz in letzter Konsequenz jedoch nicht beiträgt, das ursprüngliche kantige Profil der re:publica aufzuweichen, kann durchaus kritisch hinterfragt werden. 

Der einstige Spirit und wohl auch das Selbstverständnis der Veranstalter bezüglich ihres "Babys" unterliegen einem deutlich spürbaren Prozess, der u. a. auch Schnittstellen zu weiteren neuen Bereichen und Netzwerken (z. B. Fashion und Music) ermöglicht. Dieser Prozess ist sicherlich notwendig, um viele relevanten Akteure der Online-Welt auf Augenhöhe zusammenzuführen.

Nur so lassen sich Lösungsansätze für die stetig wachsenden Herausforderungen innerhalb einer digitalisierten Gesellschaft über alle Disziplinen hinweg konstruktiv erarbeiten. Allerdings müssen die Veranstalter auch darauf achten, dass diese Entwicklung nicht auf Kosten der eigenen Authentizität geht.

Wie weit darf die Vermarktung gehen?

Der konstant wachsende Zuspruch der Veranstaltung hat nämlich auch zur Folge, dass die Reichweite bzw. Besucherstärke als vermarktbares Gut angeboten und nachgefragt wird. Dass dies nicht immer zu sinnvollen Ergebnissen führen muss, zeigte eine Session, die von der Firma Eyeo (mittlerweile offizieller Partner der re:publica) auf einer der Hauptbühnen ausgerichtet wurde. Sie erwies sich leider als reine Werbeveranstaltung, um eine Kooperation mit dem Social-Payment-Service flattr anzukündigen.

Das sich Eyeo seit Jahren durch die Software Ad Block Plus einen großen Teil der Reichweite journalistischer Websites (z. B. Blogs, Newsplattformen) "erschleicht", sie aber durch die Hintertür wieder vermarktet, ist den Veranstaltern sicher bekannt. Letztlich durfte die Firma bereits 2015 für diesen Ansatz im Rahmen einer Veranstaltung werben. Ob Blogger und andere Web-Publizisten, deren Werbeeinnahmen durch Ad Blocker teilweise um bis zu 40% reduziert werden, derartige Firmenpräsentationen im Rahmen der re:publica gut heißen, darf bezweifelt werden.

Die Internationalisierung steht bevor

Fairerweise muss festgehalten werden, dass es sich bei dieser Form von "Paid Content" noch um Ausnahmen handelt. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass sich die re:publica ihrer besonderen Funktion und ihres Ursprungs auch weiterhin bewusst bleibt und derartige Ansätze nicht überhandnehmen.

Schließlich haben die Veranstalter noch viel vor. So steht bereits in diesem Jahr eine Internationalisierung des Formates an. In Zusammenarbeit mit Digital Biscuit, einem Film- und Technologiefestival, wird es nach Angaben der Veranstalter bereits am 20. Oktober 2016 einen Ableger der re:publica in Dublin geben.

Ob aus den bisher 10 gelungenen "Klassentreffen", wie Johnny Haeusler die re:publica liebvoll nostalgisch bezeichnet auch eine erste erfolgreiche Klassenfahrt wird, wird sich Ende des Jahres zeigen. Wir wünschen weiterhin gutes Gelingen. Bleibt authentisch!  

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