Julia Holter (2015)

Julia Holter (2015) © Tonje Thilesen

Ihrer Musik nach zu urteilen, würde man sich Julia Holter als unnahbare Künstlerin vorstellen. Eine, die sich auf der Bühne so geheimnisvoll gibt, wie ihre Songs klingen. Eine Fehleinschätzung, wie ihr Auftritt in der Frankfurter Brotfabrik beweist.

Schon der Veranstaltungsort wirkt ungewöhnlich für ein Konzert Julia Holters. Im nordwestlichen Stadtteil Hausen gelegen, befindet sich die Brotfabrik inmitten einer Wohngegend fern vom Zentrum Frankfurts, in dem ein Großteil der Konzerte der Stadt stattfinden. In dieser bürgerlichen Idylle also wird an diesem Abend eine Künstlerin auftreten, die surreale Geschichten zu ätherischen experimentellen Songs erzählt. Julia Holter macht Musik, zu der sich die Realität vergessen lässt.

Gebrochene Symmetrien

Holters Auftritt wird von spannungsaufbauenden Streichern von Band eingeleitet. Gleich kommt die Nebelmaschine und graziös erscheint die Künstlerin aus dem Nichts, könnte man erwarten. Doch sie will es anders. Etwas ungelenk erklimmt Holter die Bühne und wirft die Arme belustigt in die Höhe, als sie die Hürde genommen hat.

Was für eine schöne Musik das sei, die da läuft, meint sie, und improvisiert ein paar Töne zum Intro, ehe ihr auffällt, dass sie ihre Setlist vergessen hat. "Oh, I forgot something", ruft sie, verlässt die Bühne und das Intro startet erneut. Lautes Lachen ertönt im Saal und schon hat Holter das Publikum auf unerwartete Weise für sich gewonnen: mit lockerer Art und charmantem Humor.

Aufbrechen von Songstrukturen

Damit bildet sie einen starken Kontrast zu ihrer Musik, die auch live so geheimnisvoll klingt wie auf ihren Alben. Die Beschränkungen des Live-Settings gleichen Holter (am Keyboard) und ihre Band – eine Violinistin, ein Kontrabassist und ein Schlagzeuger –  mithilfe ein paar simpler, aber wirksamer Effekte aus.

Auch der Sound des Saales überzeugt an diesem Abend, wenn auch mit Einschränkungen beim manchmal etwas im Soundgewebe untergehenden Schlagzeug. Doch auch als Zuschauer fällt es schwer, sich in diesem nicht zu verlieren. Immer wieder bricht Holter Songstrukturen auf, um sich Klangorgien hinzugeben, die an die späten Talk Talk erinnern können.

Ambient-Pop und trockener Humor

Die Ambient-Einflüsse, die auf ihren älteren Alben noch prominenter vertreten waren, wurden mit Veröffentlichung ihrer neusten LP hingegen zurückgefahren. Die Setlist wird auch von den neuen Songs bestimmt, ihren bis dato wohl zugänglichsten, wie etwa der Single "Feel You". Von einem amtlichen Pop-Album ist "Have You in My Wilderness" allerdings immer noch weit entfernt, auch wenn Holter Anleihen an klassische Pop-Songs aus den Sechzigerjahren immer wieder als weiteres Kontrastmittel benutzt.

Die surrealen Inhalte ihrer Texte kommentiert die Amerikanerin mit trockenem Humor. "The next song is about being chased by brass instruments. How spooky!", kündigt sie etwa "Horns Surrounding Me" vom letzten Album "Loud City Song" an. So nimmt sie ihren Songs etwas die Schwere und erdet die avantgardistischen Tendenzen ihrer Musik in Selbstironie. Auch sonst redet sie frei heraus und ungeniert. Das hat Charme und kommt an.

Zurück in die Realität

Nachdem "Sea Calls Me Home" das reguläre Set beendet hat, gibt es begeisterten Applaus, bis Holter und Band wieder auf die Bühne kommen. "You didn’t stop clapping so we came back", kommentiert sie lakonisch das Offensichtliche.

Sie spielt noch zwei Songs, darunter das Titelstück ihres neuen Albums. Dann ist das Konzert dennoch vorbei und das Saallicht macht klar, dass diesmal kein Applaus helfen wird. Der Zauber ist vorbei und das Publikum begibt sich widerwillig nach draußen, wo die Realität wartet. Doch mit etwas Selbstironie sollte sich auch die aushalten lassen.

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