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Das Molotow muss bleiben, aber wo? © Jan Paersch

Beinahe 25 Jahre lang bot der Kellerclub an der Reeperbahn internationalen Talenten eine Bühne. Nach der plötzlichen Räumung der Esso-Häuser steht der Club vor dem Aus. Eine Wiedereröffnung ist angesichts steigender Mieten unsicher. Einen Hoffnungsschimmer gibt es dennoch.

Das Programm bis Ende März stand schon. Am Donnerstag war noch ein Singer/Songwriter-Abend geplant, für Silvester ein Indie-Rock-Abend der beliebten Motorbooty-Reihe. Noch bis Ende Juni läuft der Mietvertrag des Molotow, dann sollten die sogenannten Esso-Häuser, in deren Keller der legendäre Rockclub beheimatet ist, abgerissen werden.

Doch nun wurden die baufälligen 60er-Jahre-Häuser bereits in der Nacht auf den 15. Dezember geräumt, präventiv, wie die Polizei mitteilte. Nach Erschütterungen in einem der Wohngebäude habe akute Einsturzgefahr bestanden.

91 Mieter mussten ihre Wohnungen verlassen. Ein Sexkino, ein Wachsfigurenkabinett und mehrere Musikclubs, darunter das Molotow, wurden sofort geschlossen. Andy Grote, Leiter des zuständigen Bezirksamts, hält eine Rückkehr der Mieter und eine Wiederaufnahme des Gewerbebetriebs für sehr unwahrscheinlich. Die Gebäude am Spielbudenplatz bei der Reeperbahn werden vermutlich schon Anfang 2014 abgerissen.

Ein Club für große Talente

Die Aussage "Die Band habe ich doch letztes Jahr noch im Molotow gesehen", ist in Hamburg gängiger Spruch unter Konzertaficionados. So weist man dezent darauf hin, dass man neue Sterne am  Rockhimmel lange vor Normalsterblichen entdeckt hat.

Die Booker des Molotow haben seit der Eröffnung 1990 ein untrügliches Gespür für Talente bewiesen. Wir sind Helden, Mando Diao, Sportfreunde Stiller, Maximo Park oder die Black Keys – die Liste großer Bands, die hier ihre ersten Hamburg-Konzerte spielten, ist lang. Stolz prangt sie über dem Eingang des Kellerclubs.

Eine enge Treppe geht es zwei Dutzend Stufen hinunter, dann stolpert man linkerhand auf die Bar zu. Die Wände sind kaum höher als zwei Meter, orange gestrichen verbreiten sie 70er-Jahre-Flair. Nicht einmal 300 Menschen passten in den Club, aber dann war es so eng und heiß, dass man sich in einer gut geheizten Tropfsteinhöhle wähnte.

Große Nähe zu den Bands

Die Black Keys gaben im Molotow Ende 2004 ihr zweites Deutschland-Konzert überhaupt. Die Band, die heute vor tausenden Zuschauern spielt, vermochte damals gerade einmal 60 Besucher anzuziehen.

So konnte sich der Autor dieser Zeilen ohne Mühe in die erste Reihe stellen, um die Kunst von Gitarrist und Sänger Dan Auerbach zu beobachten. Schon beim zweiten Song wurde es dringend notwendig, einen Schritt zurückzuweichen. Auerbach hätte mir bei seinen ausladenden Bewegungen sonst den Hals seiner Gitarre in den Bauch gerammt.

Die Bühne war nur ein paar Zentimeter hoch, Absperrungen oder Security gab es nie – so nah kam man Bands sonst nirgendwo. Das alles ist nun vorbei: Der Gig der Band Madsen, die am Samstag das erste von fünf Hamburg-Konzerten nacheinander spielte, war vermutlich das Abschiedskonzert im Molotow. Kurz nach dem Ende rückte die Polizei an und räumte den Club.

"Hamburg ohne Molotow – geht gar nicht!"

"Kaputtbesitzen darf sich nicht lohnen" steht auf den Transparenten eine Spontan-Demonstration über die Reeperbahn am Sonntagnachmittag. Die "Initiative Esso-Häuser" hält die Räumung für das Resultat einer jahrzehntelangen Vernachlässigung durch die Eigentümer. Investoren hätten die Häuser absichtlich verfallen lassen und auf einen lukrativen Neubau mit deutlich höheren Mieteinnahmen spekuliert.

Auch das Molotow wird sich die Miete in einem noch zu planenden Neubau kaum leisten können. Orte für Musik und Subkultur haben es schwer am Wirtschaftsstandort Hamburg. Immerhin – die Stadt will die Betreiber auf der Suche nach einer neuen Location unterstützen. Selbst Kultursenatorin Barbara Kisseler wurde schon mit den Worten zitiert: "Hamburg ohne Molotow - geht gar nicht!"

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