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Baal (Markus Schlüter) und Johanna (Chris Juliane Meiser) © Frank Müller

Im Zuge ihres mehrfach geförderten Projekts "Pulverfass: Weimar!" steht im "Theater der Immoralisten" als zweites Stück Bertolt Brechts Erstlingswerk "Baal" in der Fassung der Uraufführung auf dem Spielplan. Was es besonders interessant macht, ist nicht nur die kunstvolle Erweiterung der Darstellung durch die musikalische Begleitung, sondern auch die Attitüde, die das Stück zum Ausdruck bringt: Sex, Drugs und Rock'n'Roll! Anarchie pur aus dem Jahr 1922.

"Baal frisst, Baal tanzt, Baal verklärt sich!" Damit ist im Grunde schon alles gesagt, was der neugierige Theaterbesucher wissen muss, auch wenn er noch nie etwas von diesem Stück gehört hat.

Baal ist ein echter Naturbursche und das ist wörtlich zu nehmen. Er verleibt sich ein, was immer er in die Finger bekommt – Alkohol, Frauen, Leben.

Schlicht und Innovativ

Die Inszenierung der Immoralisten präsentiert sich äußerst schlicht. Dies bezieht sich auf das Bühnenbild, ein leerer, von sterilen, weißen Betonmauern eingefasster Raum, ebenso wie auf die Kostüme der Mitwirkenden, die gerade nur das Nötigste zum Ausdruck bringen. Manuel Kreitmeier (Regie/Bühne) überführt das nahezu hundert Jahre alte Drama somit optisch gekonnt ins 21. Jahrhundert.

Auch die Requisite ist durch eine überschaubare Zahl von Gegenständen geprägt und durch ihre Handhabung mehr als einfallsreich in ihrem Minimalismus. So liegen in der Mitte der Bühne drei Holzpaletten, die oftmals als Bett, manchmal als Naturlandschaft oder dann als Bretterhütte dienen.

Alles Übrige, was weiterhin benötigt wird – Flaschen, Brüste, Spielkarten, ein Schwangerschaftsbauch – ist in handelsüblichen Plastiktüten, an einem Einkaufswagen hängend, verstaut und wird bei Bedarf für die jeweilige Szene herangezogen, wobei das unübliche Requisitenlager zugleich auch Teil von Uli Winterhagers Kostüm darstellt, der die Figuren "Mjurk" und "Pfarrer" verkörpert.

Modern durch Einsatz von Licht und Musik

Einen Geniestreich beweist Kreitmeier nicht nur in der Handhabung dieser wenigen Mittel, mit deren Hilfe er die großen Bilder in den Köpfen der Zuschauer entstehen lässt, sondern besonders auch im Einsatz der Lichttechnik, die diesen Bildern Struktur verleiht.

Das Licht ersetzt zum einen den Vorhang und erweckt dabei den Eindruck von moderner, filmischer Schnitttechnik, welche die Szenen schnell aneinander reiht. Besonders die Farbgebung der Beleuchtung bestimmt die Atmosphäre maßgeblich mit, so beispielsweise in den Naturszenen, die gänzlich in grünes Licht getaucht sind.

Ein weiteres Novum ist die musikalische Begleitung bestehend aus Klavier (Florian Wetter), Cello (Hannah Schwegler) und E-Bass, welcher von Markus Schlüter (Baal) selbst gespielt wird. Somit ist die Musik nicht nur ein netter Nebeneffekt, sondern wesentlicher Bestandteil des Stückes.

Dies zeigt sich besonders in den Monologszenen Baals wie zum Beispiel am Anfang, wo sich Schlüter mit nacktem Oberkörper und wildem Haar geradezu als Johnny Rotten der Theaterbühne zeigt. Entsprechend anarchisch und verstörend ist auch sein Auftritt. Alle Kompositionen stammen übrigens aus der Feder von Florian Wetter.

Anleihen aus dem "Epischen Theater"?

Bis auf den Hauptdarsteller, der in jeder Szene in Erscheinung tritt, steht die Besetzung während der gesamten Vorstellung im Hintergrund wie Inventar auf der Bühne. Das mag möglicherweise an Brechts berühmten "Verfremdungseffekt" angelehnt sein, obwohl er diesen bei seinem Erstling Baal noch gar nicht entwickelt hatte. Es zeigt aber auch Kreitmeiers gestalterisches Feingespür. 

Ebenfalls im Sinne Brechts sind die Nebencharaktere in der Baal-Inszenierung der Immoralisten stereotypisch. Das zeigt sich daran, dass ihre Darsteller immer wieder in andere Rollen schlüpfen. Sah man eben noch Uli Herbertz in der Rolle des taffen Verlegers "Mech", so taucht er kurz später bereits als eine der "toten Schwestern" auf, die sich Baal in seine Dachkammer bestellt – verstörend, witzig, aber dennoch authentisch!

Hervorzuheben ist auch die darstellerische Leistung von Daniel Leers. Auch wenn er nur die kleineren Nebenrollen übernimmt, so zeigt er sich doch stets leidenschaftlich und wandlungsfähig. Seine Darstellungen sind äußerst unterhaltsam für den Zuschauer.

Unnötig zu erwähnen, dass Markus Schlüter in seiner Rolle als "Baal" voll aufgeht. Das beweist allein der tosende Beifall, den ihm das Publikum am Ende der Vorstellung zuteil werden lässt. Die Schauspielleistung des übrigen Ensembles soll hier nicht geschmälert werden, auch wenn sie nicht im besonderen für jeden einzelnen Darsteller genannt werden kann.

Aufführungen noch bis Ende Juni

Das Theater der Immoralisten ist wärmstens zu empfehlen, ebenso wie deren Aufführungen von Brechts Baal. Diese finden noch bis Ende Juni statt.

Tickets gibt es sowohl Online als auch bei der Buchhandlung Schwanhäuser (Tel.: 0761/ 2111830) sowie der Badischen Zeitung (Tel.: 0761/ 4968888) in Freiburg.

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