Alt und neu

(New) Nektar zeigen im Café Central in Weinheim zwei Seiten

11.01.2020, von Daniel Nagel

Die Prog-Rock-Band Nektar hat eine komplizierte Geschichte, so dass es heute zwei Versionen gibt: Die Nektar um Keyboarder Klaus Henatsch zeigen bei ihrem Auftritt im Café Central instrumentale Klasse, können aber nicht mit allen Songs punkten.

Wer sind "die echten Nektar"? Bei der Band, die im Café Central auftritt handelt es sich um die Formation um Keyboarder Klaus Henatsch, die außerdem aus Gitarrist Alex Hoffmeister, Schlagzeuger Norbert "Panza" Lehmann, Basstin Heike Nolden und zwei Backgroundsängerinnen besteht.

Es ist kompliziert

Henatsch sieht sich als Erbe der Formation des 2016 verstorbenen Roye Albrighton, aber außerdem existiert eine Band, in der zwei Gründungsmitglieder vertreten sind, und zwar Schlagzeuger Ron Howden und Bassist Derek "Mo" Moore. Diese Band plant eine Deutschlandtour später im Jahr 2020.

Um die Sache vollendes kompliziert zu machen, spielte Howden jahrelang gemeinsam mit Henatsch in der damaligen Formation von Nektar. Heute will er davon nichts mehr wissen, obwohl es Albrighton selbst war, der Henatsch 2007 in die Band geholt hatte.

Auftakt mit den Klassikern

Henatsch verfügt jedenfalls als Ex-Mitglied von Jane und anderer Bands über genug Prog-Rock-Credibility, um die Rolle des Bandleaders zu spielen. Unter dem Namen New Nektar veröffentlichte er 2018 ein Album mit dem Titel "Megalomania".

Zunächst steht das Konzert aber ganz im Zeichen der alten Nektar und ihrer klassischen Alben der 1970er-Jahre, ganz besonders von "A Tab In The Ocean", das die Band komplett spielt (wenn auch nicht in der originalen Reihenfolge).

Gelungenes erstes Set

Während des knapp einstündigen ersten Sets zeigt sich die Band als würdige Erben der alten Nektar. Aufgrund der Wichtigkeit der Keyboards für den Sound von Nektar ist die prominente Rolle von Henatsch durchaus angemessen.

In Zeiten des Streamings verkörpern die langen, ausufernden Kompositionen von Nektar das Gegenteil des Zeitgeistes, aber es ist doch bewunderswert, wie schlüssig und folgerichtig die Musik auch heute noch klingt. 

Gesangliche Schwächen

Die Band spielt tight und leidenschaftlich, so dass die alten Prog-Fans kräftig mitgehen und laut Beifall klatschen. Wenn es eine Schwäche gibt, dann ist es der Gesang, obwohl Alex Hoffmeister, der die meisten Vocals übernimmt, sich im Verlauf des Abends steigert.

Ein wenig seltsam wirkt allein die Rolle der Backgroundsängerinnen Helen Landzettel und Sandra Kawka. Sie sind schlecht zu hören, erfüllen keine wirklich wichtige Aufgabe und sehen daher teilweise etwas gelangweilt aus. Es gibt eigentlich nur zwei sinnvolle Möglichkeiten: Ihnen und ihrem Gesang eine wichtigere Rolle zu geben oder auf sie gänzlich zu verzichten. 

Neuer heißt nicht besser

Der zweite Teil des Konzertabends steht im Zeichen jüngerer Kompositionen und vor allem des neuen Albums "Megalomania". Dabei wird vor allem klar, wie gut die Stücke der "alten" Nektar aus den frühen 1970ern-Jahren waren. Sie sind komplex, aber mitreißend, rockig, aber nicht banal.

Die neuen Werke hingegen wirken insgesamt flacher, sowohl musikalisch wie auch textlich, wozu auch die gut gemeinten, aber sehr nach Alt-Hippie klingenden Ansagen von Henatsch beitragen. Ein Lied wie "Doctor Cool" wirkt schlichtweg banal und die Songs von "Megalomania" imitieren den Prog-Sound der 70er, ohne ihn zu erreichen.

Am Ende eines langen Abends in Weinheim steht die Erkenntnis, dass Nektar vor allem dann punkten, wenn sie die Kompositionen der 1970er-Jahre aufführen – und den Beweis erbringen, dass der oft verschmähte Prog-Rock jede Menge Kreativität zu bieten hat.