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Sarah Connor (live in Mannheim, 2019) © Kosta Jiannis

Das Großkonzert in Düsseldorf soll im September unter strengen Regeln stattfinden. Für die Pläne von Veranstalter Marek Lieberberg gibt es Zuspruch, aber auch viel Kritik.

Das Großkonzert Give Live A Chance soll am 4.9.2020 in Düsseldorf stattfinden, in diesem Artikel berichteten wir bereits über die Pläne. 13.000 Besucher sollen anwesend sein, um zu zeigen, dass Großveranstaltungen trotz der Coronakrise unter Einhaltung aller Richtlinien möglich sind.

Doch die Meinungen über die geplante Veranstaltung könnten unterschiedlicher nicht sein.

Freude über neue Möglichkeiten

Unter der Ankündigung der Veranstaltung auf Facebook sind einige positive Kommentare zu lesen. Eine Kommentatorin schreibt: "In Hamburg bitte bitte bitte bitte bitte bitte bitte bitte auch?" und bringt damit zum Ausdruck, dass für sie Veranstaltungen dieser Größe absolut keine Frage sind und sie liebend gerne daran teilnehmen würde. 

Teilnehmende Stars melden sich zu Wort

Da die Kritik an dem Konzert bisher größer ist als die positiven Reaktionen, rechtfertigten die teilnehmenden Künstler ihre Entscheidung und erläutern, warum sie an der Veranstaltung teilnehmen.

Sarah Connor meldete sich in einem Instagram-Post zu Wort. Sie könne die Bedenken gut verstehen, sie "gehe auf keinen Fall leichtsinnig mit der Situation um", jedoch würde es für sie um den Erhalt der Jobs ihres Teams gehen. Die Veranstaltungsbranche habe in den letzten Monaten sehr unter dem Veranstaltungsverbot gelitten und allein in Deutschland seien 150.000 Menschen in der Branche tätig und betroffen.

"Ich allein beschäftige über‘s Jahr um die 150 Menschen, denen im März von heute auf Morgen sämtliche Einnahmen weggebrochen sind. Musiker, Tontechniker, Bühnenbauer, Backliner, Bus- und Truckfahrer, Securityleute, Lichtdesigner, Videooperator und viele mehr, die z.T. keine grossen Gewerbe haben, sondern Selbständige sind."

Sie wünsche sich nichts sehnlicher, als dass dieses Virus einfach verschwinden würde, aber da es das noch lange nicht tun wird, "müssen wir Konzepte entwickeln wie es in der 'neuen Zeit' machbar wird, ein Konzert zu besuchen; indem wir die richtigen Sicherheitsvorkehrungen treffen und uns an alle Angaben und Maßnahmen halten". 

Wenn sie sich nicht sicher sei, dass alle Sicherheitsvorkehrungen eingehalten würden und das gesamte Konzept eng mit den Behörden zusammen abgesprochen wäre, würde sie niemals an einer solchen Veranstaltung teilnehmen, meint die Sängerin. Es ginge ihr nicht um "Party machen" sondern ausschließlich darum, der Veranstaltungsbranche wieder ein wenig Hoffnung zu geben. "Ja es geht um Leben, aber auf beiden Seiten der Argumentation!!!"

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Hallo Ihr Lieben. Ich höre Euch. Und ich verstehe alle Bedenken und Einwände zu dem ersten grossen geplanten Konzert in der „neuen Zeit“. Ich habe vier Kinder, eines davon könnte man als besonders „gefährdet“ einstufen. Auch wir erwarten mit Spannung den Schulbeginn. Auch meine Kinder müssen in der Schule Masken tragen. Seid gewiss, ich gehe auf keinen Fall leichtsinnig mit der Situation um. Aber: auch meine Branche hat in den letzten Monaten extrem gelitten. Auch ich habe viele Freunde und Kollegen deren Existenzen mittlerweile bedroht sind. Ich allein beschäftige über‘s Jahr um die 150 Menschen, denen im März von heute auf Morgen sämtliche Einnahmen weggebrochen sind. Musiker, Tontechniker, Bühnenbauer, Backliner, Bus-und Truckfahrer, Securityleute, Lichtdesigner, Videooperator und viele mehr, die z.T. keine grossen Gewerbe haben, sondern Selbständige sind. Familienväter- und Mütter. Fleissige Menschen, die seit März ohne Arbeit und vor Allem ohne jegliche Einkünfte sind. Die keine Perspektive haben, keine Lobby. Die brav ihre Steuern zahlen, aber nun seit Monaten ignoriert werden. Für die niemand kämpft, weil ständig gesagt wird, ihre Arbeit sei nicht systemrelevant. Wir reden über insgesamt 150.000 Arbeitsplätze alleine in Deutschland‼️ Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass dieses Virus verschwindet und alles wieder „normal“ wird. Aber das wird es nicht. Noch lange nicht. Also müssen wir Konzepte entwickeln wie es in der „neuen Zeit“ machbar wird, ein Konzert zu besuchen; indem wir die richtigen Sicherheitsvorkehrungen treffen und uns an alle Angaben und Maßnahmen halten. Nach meinen Informationen, sonst hätte ich niemals zugestimmt, ist das geplante Konzert vorsichtig durchdacht und eng mit den Behörden erarbeitet und abgestimmt worden. Ich bin selbst gespannt, ob und wie es stattfindet. Aber wenn, dann bin ich dabei. Alles andere kann ich meinen Leuten gegenüber nicht verantworten. Wir sind dankbar für den Versuch, unserer Branche wieder ein wenig Hoffnung zu geben. Viele Menschen warten darauf. Ich rede nicht von “Party machen”, sondern von JOBS. Von 150.000 Arbeitsplätzen! Ja es geht um Leben, aber auf beiden Seiten der Argumentation!!! Sarah

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Auch The BossHoss haben ein Statement zu dem Konzert abgegeben. Über den Sender RTL veröffentlichen die zwei Frontmänner Sascha Vollmer und Alec Völkel ein Video, in dem sie deutlich machen, was sie von dem Konzert halten.

"Es wird Zeit, dass Kultur wieder eine Bühne findet. [...] Es geht ja auch nicht nur um uns, sondern um das ganze Gewerk hinter uns." Sie und ihre Band würden sich auf das Konzert freuen und wollen damit ein Signal setzen, wie wichtig und gut Livemusik ist. 

Kritik am Veranstalter

Neben positiven Äußerungen gibt es insbesondere bei Facebook auch zahlreiche negative Kommentare. Manche äußern ihre Bedenken schon, bevor sie sich das Konzept ganz angeschaut haben und kritisieren, dass die Einhaltung der Sicherheitsabstände in den Warteschlangen unmöglich seien. Daraufhin erwidert Veranstalter Marek Lieberberg, dass es auch dazu genau ausgearbeitete, neue Konzepte gebe. 

Andere Leute stellen durchaus sinnvolle Fragen wie diese Kommentatorin unter dem Facebookbeitrag von regioactive:

"Ein paar Fragen:

1. Wie soll gewährleistet werden, daß die Zuschauer auf ihren Sitzen bleiben?
2. Singen und mitgrölen ist nicht?
3. Der Innenraum und damit auch der Bereich vor der Bühne ist abgesperrt, so daß sich vorne keine Zuschauer drängen können?
4. Wie soll die "Masken"pflicht durchgesetzt werden? Wer wird diejenigen, die den Anweisungen nicht folgen, herauswerfen?
5. Wie sieht es mit den Toiletten und dem üblichen Andrang dort aus? Zusätzliche Dixi-Klos = noch kleinere Räume?
6. Werden zusätzliche Busse, Straßenbahnen und Züge im ÖPNV eingesetzt werden? Oder werden sich alle drängeln?"

Viele kritisieren, dass es zu früh sei und es keine Garantie gebe, dass alle Regeln eingehalten werden, genauso wie sich viele nicht vorstellen können, dass diese Regeln umsetzbar sind. Einige vermuten einen Ausbruch von Coronafällen nach dem Konzert, weswegen sie unter anderem auch den Titel der Veranstaltung, Give Live A Chance, für unpassend halten. Sie interpretieren "Live" nicht im Sinne von "Liveshow" gedacht, sondern (sprachlich nicht ganz korrekt) als "Leben" (eigentlich "life").

Manche Kommentatoren äußern ausgesprochen zynische Meinungen, die an Verschwörungstheorien grenzen. Sie verstehen offensichtlich nicht, dass es bei dem Konzert darum geht, zu zeigen, dass Konzerte unter Coronabedingungen möglich sein können, um Jobs in der Veranstaltungsbranche zu retten. Sie halten das Konzert für eine Masche von Live Nation, um viele Tickets zu verkaufen, das Konzert dann abzusagen und anschließend nur Gutscheine auszugeben, um selbst Profit daraus zu schlagen. 

Land äußert Zweifel

Die schwerste Kritik kommt durch das Land Nordrhein-Westfalen. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) zweifelt an der rechtlichen Grundlage des Konzerts und betont, dass es keine Absprache mit den Landesbehörden gab, welche er in solchen Zeiten, bei solch einer Großveranstaltung, erwartet hätte. Eine Prüfung des Hygienekonzepts durch die Fachaufsicht sei auch noch durchzuführen.

Fraglos ist der Plan ambitioniert, in der aktuellen Situation ein Konzert mit 12.000 Besuchern durchzuführen. Allerdings verdient die Live-Branche eine faire Beurteilung des Konzepts, das ja dazu dienen soll, ein pandemiegerechtes Konzert zu erproben. Fraglos müssen offene Fragen geklärt werden, z. B. hinsichtlich der An- und Abreise, aber grundsätzlich erscheint ein Konzert als weniger riskant als Sportveranstaltungen mit Zuschauern, die aktuell ebenfalls in der Diskussion sind.