Graham Nash (2018)

Graham Nash (2018) © Amy Grantham

Graham Nash ist nicht nur ein wichtiger Teil von Crosby, Stills & Nash, sondern auch ein erfolgreicher Solokünstler. Wir sprachen mit ihm über seine bevorstehenden Deutschlandkonzerte und die Frage, ob Musik die Welt im Zeitalter von Donald Trump verändern kann.

regioactive.de: Mr. Nash, Sie werden im Juli Konzerte in Deutschland und Luxemburg spielen. Erinnern Sie sich an ihren ersten Auftritt vor deutschem Publikum?

Graham Nash: Natürlich. Mitte der 1960er Jahre bin ich mit meiner damaligen Band Hollies in München aufgetreten. Die Hollies waren eine sehr populäre Band, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Wir sind sehr gut angekommen, auch weil unsere Konzerte voller Energie und Leben waren. Das deutsche Publikum hat uns geliebt.

regioactive.de: Die Hollies touren in ihrer aktuellen Version immer noch und spielen 2019 auch Konzerte in Deutschland.

Graham Nash: Es ist Wahnsinn, dass es die Band immer noch gibt.

regioactive.de: Sind Sie noch in Kontakt mit ihren alten Kollegen?

Graham Nash: Auf jeden Fall. Ich spreche alle paar Monate mit Allan Clarke, unser Verhältnis ist gut. Die Hollies sind noch immer meine Freunde.

regioactive.de: Was erwartet die Zuschauer bei Ihren Deutschlandkonzerten?

Graham Nash: Ich werde meinen Leadgitarristen Shane Fontayne und Keyboarder Todd Caldwell mitbringen, der Keyboards in der Crosby, Stills & Nash Band gespielt hat. Wir werden abgespeckte Versionen der Songs spielen und zwar in der Weise, wie sie ursprünglich geschrieben wurden – mit Gitarre und Klavier. Die Reaktion des Publikums verrät sofort, ob du ein gutes Lied hast oder nicht. In dieser Besetzung kannst du dich hinter nichts verstecken: Es gibt kein Schlagzeug, keinen Bass, keine Tänzerinnen – nur die Musik. Ich habe den Eindruck, dass die Zuschauer das genießen.

regioactive.de: Die Einfachheit als Erfolgsrezept?

Graham Nash: Absolut.

regioactive.de: Als Sie 1974 mit Crosby, Stills, Nash & Young auf eine der ersten großen Stadiontouren gegangen sind, war Einfachheit nicht gerade das Motto. Sie haben das Ereignis als ebenso aufregend wie furchterregend beschrieben. Können Sie das etwas näher erläutern?

Graham Nash: Mit dem Box Set, das ich mit meinen Freunden Joel Bernstein und Stanley Johnston produziert habe, wollte ich beweisen, dass CSNY eine sehr gute Rock'n'Roll-Band waren. Wir konnten spielen, wir hatten gute Songs und wirklich tolle Musiker. Ich war in einer Band mit drei komplett Verrückten im positiven Sinn.

regioactive.de: Sie hatten ein Zerwürfnis mit David Crosby. Haben CSN eine Zukunft?

Graham Nash: Nein.

regioactive.de: Bei den Deutschlandkonzerten wird kein geringerer als Steve Earle dabei sein, mit dem Sie auch in der Vergangenheit schon live gespielt haben. Sind Sie befreundet?

Graham Nash: So weit würde ich nicht gehen, aber ich schätze Steve sehr. Er ist entschlossen, die Welt zu verbessern und dieses Ziel unterstütze ich vollkommen.

regioactive.de: In den 1960ern war das bestimmende Gefühl, dass Musik die Welt verändern kann. Glauben Sie im Rückblick, dass Musik die Welt verändert hat?

Graham Nash: Auf jeden Fall. Ich habe keinen Zweifel, dass Musik die Welt verändern kann. Musik transportiert Ideen und auf diese Weise haben Musik und westliche Kultur dazu beigetragen, dass die Mauer fiel. Das geschah nicht gewaltsam, die Menschen in Ostdeutschland sahen die Konsumgüter, die den Westdeutschen zur Verfügung standen – und als die das sahen, fiel die Mauer.

regioactive.de: Die Ideale der 1960er waren ja zu einem gewissen Grad anti-kapitalistisch und was Sie gerade beschrieben haben, war ja sozusagen der Triumph des Kapitalismus. Wie passt das zusammen?

Graham Nash: Ich jedenfalls bin immer noch ein Hippie. Ich glaube fest an das, was die Hippies verkörperten: Dass Liebe besser ist als Hass, Frieden besser als Krieg, dass wir auf uns selbst und auf einander aufpassen sollen. Ich beobachte ein besorgniserregendes Wachstum rechtsextremer Strömungen in vielen Ländern, auch in dem Land, in dem ich lebe: den USA mit seiner Trump-Regierung.

regioactive.de: Was können wir dagegen tun?

Graham Nash: Ich glaube wir müssen einfach fortfahren, das zu tun, was wir am besten können. Behandle dich selbst gut, behandle deine Freunde gut, liebe deine Familie. Aber ich befürchte, wir können wenig dagegen tun. Es gibt Unternehmen, die sind so riesig, dass sie die gesamte Welt kontrollieren. Allerdings haben Geschehnisse wie das Schulmassaker in Parkland, Florida und der gewaltige Effekt der Kinder mit ihren Demonstrationen gegen Waffen, die NRA und Politiker, die Geld von der NRA nehmen, tatsächlich das Potential, etwas zu verändern. Ich bin davon überzeugt, dass sie eine wunderbare Sache begründet haben, wenn sie nur die Energie aufrecht erhalten können.

regioactive.de: Die Bewegung sieht ja fast aus wie in den 1960ern: von unten, getragen von jungen Leuten. Das zeigt, dass junge Leute motiviert werden können, sich politisch zu betätigen.

Graham Nash: In der Tat. Die Schüler aus Parkland haben verstanden, wie sehr Politik ihr tägliches Leben bestimmt. Die NRA hat die amerikanische Öffentlichkeit im Würgegriff, sie hat die Bedeutung des 2. Verfassungszusatzes zur US-Verfassung jenseits aller Realität entstellt. Das Recht Waffen zu tragen gilt nur für die Organisation von Milizen – aber das war vor mehr als 200 Jahren.

regioactive.de: Damals konnte man moderne Handfeuerwaffen mit ihren enormen Schussraten nicht vorhersehen.

Graham Nash: Es ist nicht zu rechtfertigen, dass angebliche Jäger über Waffen verfügen, die 100 Geschosse in kürzester Zeit abfeuern können.

regioactive.de: Sie sind sowohl US-amerikanischer wie auch britischer Staatsbürger. Fühlen Sie sich mehr als Engländer oder als Amerikaner?

Graham Nash: Ein wenig von beidem. Es ist für mich unmöglich, mich nicht als Engländer zu fühlen. Dort wurde ich geboren und dort bin ich aufgewachsen. Ich lebe aber seit fast 50 Jahren in den USA. Das Land hat sich seit dem Vietnam-Krieg und Richard Nixon dramatisch verändert. Meiner Meinung nach sind die USA ein großartiges Land. Natürlich gibt es Probleme, aber ich glaube, dass das Land etwas Besseres verdient als Donald Trump. Ich kann kaum erwarten, dass die Ermittlungen von Robert Mueller vorbei sind und Trump seines Amtes enthoben wird.

regioactive.de: Es interessiert mich sehr, was Sie von Brexit halten.

Graham Nash: Da ich schon so lange nicht mehr in Großbritannien lebe, verstehe ich vieles nicht mehr, was dort passiert. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass es keine gute Idee ist, wenn Grobritannien die Europäische Union verlässt. Seit langer Zeit hasse ich Grenzen und Zollbehörden. Ich habe immer daran geglaubt, dass es auf diesem Planeten nur ein Volk gibt.

regioactive.de: Wir haben über die gewaltigen Veränderungen des menschlichen Zusammenlebens in den letzten Jahrzehnten gesprochen. Die betreffen natürlich auch die Musikkultur und das Musikbusiness. Mich interessiert, ob sich die Rolle verändert hat, die Musik in ihrem Leben spielt.

Graham Nash: Überhaupt nicht. Musik erlaubt mir zu sagen, was ich denke. Ich versuche, so offen wie möglich für alles zu bleiben, was um mich herum geschieht. Das gelingt mir nicht immer, aber ich versuche es! Das gilt für persönliche Geschehnisse ebenso wie für politische Ereignisse. Wenn ich Songs schreibe, muss ich sie zunächst fühlen.

regioactive.de: Ist das Schreiben von Songs ein emotionaler Weg, um das zu verarbeiten, was um Sie herum geschieht?

Graham Nash: Ja. Und es ist nicht leicht, einfache Songs zu schreiben. Es ist nicht so leicht, wie viele glauben. Als Künstler müssen wir die Zeit abbilden, in der wir leben. Wir berichten von unseren Erlebnissen – und auf kleiner Ebene tragen wir dazu bei, die Geschichte unserer Zeit zu schreiben.

regioactive.de: Sie sind auch ein sehr erfolgreicher Fotograf. Gibt es einen Unterschied zwischen Graham Nash, dem Fotografen und Graham Nash, dem Musiker?

Graham Nash: Nein, nicht im Mindesten. Es geht immer darum, dass ich meine Gefühle ausdrücken möchte. Ich fotografiere länger, als ich Musik mache. Ich liebe einfach diese Kunstform.

regioactive.de: Vielen herzlichen Dank für das Gespräch, Mr. Nash.

 

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